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mechanisch“ gegenüber „ganzheitlich“, als vielleicht allzu schroff ge-
zeichnet, wissenschaftlich allenfalls gar als Art „konstruierter“
Gegensatz erscheinen. Dem begegnet er selbst bereits in der 2. Auf-
lage zum „Fundament“: „Der Einwand, es sei in dem Gegensatz
Individualismus — Universalismus nur ein Scheingegensatz . . . ist . . .
Beweis dafür, daß jenes Umdenken . . . noch nicht vollzogen wurde.
Der Einwand entstammt einem kausalwissenschaftlichen Denken . . .
Diese Denkweise nach reiner Ursächlichkeit ist aber eben — indivi-
dualistisch! Denn sie denkt ... so, daß jedes Ding ... als in sich
gegründet auftrit, ein ,Ganzes' von Dingen daher nur aus der Summe
der einzelnen Ding-Individuen bestünde, sohin nur ein Schein-Ganzes
wäre“ (Bd 3, 8).
Ähnlich wie schon vorhin aus spezifischer lehrgeschichtlicher
Perspektive wäre hiezu gewiß auch noch der Wandel über gut ein
halbes Jahrhundert in den Wissenschaften sowie in der Auffassung
von der Theoriebildung allgemein mit in Rechnung zu stellen (immer-
hin lagen, wie aufgezeigt, das System der Gesellschaftslehre bereits
1914 und die Durchbildung des Verfahrens in der Kategorienlehre
um 1924 vor!). Die verfahrenstheoretische Problemlage stellte sich
in mancher Hinsicht damals zweifellos noch anders: weniger komplex
wohl als heute, damit aber tatsächlich vielleicht „schroffer“. Man
denke da im engeren Bereiche der Wirtschaftswissenschaften an den
durchaus kampfbetont-schroffen, wenn vergleichsweise auch an
vordergründigerer Front geführten „Methodenstreit“ zwischen
Gustav Schmoller und Carl Menger — und wäge dessen Gehalt
etwa im Lichte der modernen wissenschaftstheoretischen Diskussion.
Diese läßt heute insgesamt — vor allem auch im naturwissenschaft-
lichen Bereiche — einen mehr oder weniger deutlichen (wenngleich
gewiß behutsam zu interpretierenden) Zug zu einer umfassenderen
oder, wenn man will, „ganzheitlicheren“ Betrachtungsweise er-
kennen, einschließlich einer Wiederbesinnung auch auf das Geschicht-
liche
8
. (Vgl. hiezu ferner das Geleitwort zu diesem Band mit ein-
schlägigen Anmerkungen.)
8
Vgl. wissenschaftstheoretisch dazu Thomas S. Kuhn: The Structure of Scientific
Revolutions, Chicago 1962 (deutsch: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 1970);
wie auch I. Lakatos—A. Musgrave (Herausgeber): Criticism and the Growth of Knowledge,