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Wir sind mit dieser theoriekritisch streitbaren Betrachtung zugleich
hingeführt auf die Frage einer aus heutiger Sicht etwa vorzunehmen-
den lehrgeschichtlichen Einordnung der ganzheitlichen Wirtschafts-
lehre und damit auf den Versuch einer aus gewonnenem Abstande
rückblickend objektivierenden Ortung bzw. Beurteilung der Leistung
Spanns im Rahmen der Fortentwicklung der Disziplin als ganzer.
VI. Lehrgeschichtlicher Befund. Zum Bleibenden
Wie aus dem Vorworte zur vierten Auflage des „Fundaments der
Volkswirtschaftslehre“ bereits belegt (Bd 3, 4), nahm Spann von
Anbeginn eine grundsätzlich kritische Gegenposition zur Neoklassik
und zur Grenznutzenschule österreichischer Prägung im besonderen
ein.
Mitbedingt wohl durch den Ersten Weltkrieg hatte die Grenz-
nutzenschule um die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts, wenn
nicht ihren Einfluß, so doch zweifellos den Höhepunkt ihrer theo-
retischen Gestaltung und Ausformung lange überschritten; immer-
hin versuchte Joseph Schumpeter bereits im ausgehenden ersten
Jahrzehnt dieses Jahrhunderts in seinem bekannten Werk „Das
Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie“
9
gewissermaßen den Gehalt des damaligen Standes der Theorie zu-
sammenzufassen. Im anglikanischen Bereiche hatte Alfred Marshall
dahingegen erst 1920 mit der gereiften 8. Auflage seiner „Prin-
London 1970 (deutsch: Kritik und Erkenntnisfortschritt, 1974); ferner aus naturwissen-
schaftlicher Sicht u. a. Jacques Monod: Zufall und Notwendigkeit, München 1971
2
; Manfred
Eigen—Ruthild Winkler: Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall, München—Zürich 1975
(mit Besprechungen von H. Christof Günzl bzw. Ernst Kittel, beide in: Schrifttumsspiegel,
Jg 7, Heft 1, Wien 1977); sowie Rupert Riedl: Die Strategie der Genesis. Naturgeschichte
der realen Welt, München—Zürich 1976 (mit ausführlicher Besprechung einschließlich weiter-
führender Bezüge zu einschlägiger Literatur von Alois Wiesinger, in: Schrifttumsspiegel,
Jg 7, Heft 3, Wien 1977).
9
Leipzig 1908; dazu die ausführliche Besprechung von Othmar Spann: Die mechanisch-
mathematische Analogie in der Volkswirtschaftslehre, in: Archiv für Sozialwissenschaft und
Sozialpolitik, Bd 30, Heft 3, Tübingen 1910 (Wiederabdruck in Gesamtausgabe, Bd 1,
S. 279 ff.).