Previous Page  262 / 471 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 262 / 471 Next Page
Page Background

262

[223/224]

in jeder anderen Hinsicht das Gebäude der Mittel und der Ziele als

gegeben betrachtet wird.

Die Probe auf den eben entwickelten Lehrbegriff der Fruchtbarkeit höherer Ordnung

möge am Beispiele des Handels gemacht werden. Gibt es volkswirtschaftliche

Fruchtbarkeit nur nach Maßgabe der gliedhaften Verschiedenheit und ihrer

Überhöhung in der Einheit des Ganzen, so läßt sich auch einsehen, welche

volkswirtschaftliche Fruchtbarkeit der H a n d e l hat. Der Handel bringt, so sieht es

sich herkömmlicherweise an, die Ware in erster Linie auf jenen Markt, der am

zahlungsfähigsten ist, das heißt aber: der ihrer im Rahmen seiner

Z a h l u n g s f ä h i g k e i t am meisten bedarf. Das bedeutet nach der Auffassung der

Grenznutzenlehre: nicht jener Markt, wo die Güter den größten Nutzen stiften, sondern

jener, wo sie (infolge der größeren Bedürfnissättigung der wohlversorgten Märkte und

Menschen) den jeweils kleinsten Nutzen stiften, wird vom Handel zuerst versorgt. Im

Kriege wurde vorzugsweise der Reiche mit Mehl, Zucker, Fett kartenfrei vom

Schleichhandel versorgt, das heißt nur der eben noch zahlungsfähigste Abnehmer. —

Diese Ansicht der Dinge ist aber schief und spricht nicht gegen die Fruchtbarkeit des

Handels. Der Handel versorgt genau so wie jeder Erzeuger und jeder andere, der auf dem

Markte etwas verkauft, nicht jene Nachfragenden, die das wenigste, sondern jene, die

das meiste zahlen, die also oft genug die Reichsten sind und daher oft die umfassendste

„Bedürfnissättigung“ mit Gütern erfahren. Das b e d e u t e t a b e r n i c h t , d a ß

d i e G ü t e r n o t w e n d i g d o r t d e n k l e i n s t e n N u t z e n

s t i f t e n w e r d e n , w i e m a n n a c h d e r G r e n z n u t z e n l e h r e

f ä l s c h l i c h

f o l g e r n

m ü ß t e ;

d e n n

d i e

j e w e i l s

z a h l u n g s f ä h i g s t e n K ä u f e r k ö n n e n d i e b e t r e f f e n d e n

G ü t e r i n f o l g e d e r f ü h r e n d e n L e i s t u n g e n , d i e i h r e

B e t r i e b e o f t v o l l z i e h e n , g e r a d e a u f s e r f o l g r e i c h s t e

v e r w e n d e n . Die Güter werden dann nicht die kleinsten, sondern die größten

Leistungen vollbringen! Für die Beurteilung der Gegensätze zwischen der Fruchtbarkeit

höherer Ordnung (Volkswirtschaft- / licher Fruchtbarkeit) und niederer Ordnung (in

der Rentabilität) kommt es nicht zuerst auf seelische Grade der „Bedürfnissättigung“,

sondern auf die gliedhafte Stellung, insbesondere auch auf die führende oder geführte

Stellung der betreffenden Leistungen, an. ( V o r r a n g d e r l e i t e n d e n

T e i l g a n z e n u n d S t u f e n

1

. )

Besteht Fruchtbarkeit höherer Ordnung nur in der angegebenen

vermittelten Weise, dann werden oft Fälle eintreten, in denen einige

Ausgliederungsfolgen fruchtbar, andere unfruchtbar sind. Das

K a p i t a l h ö h e r e r O r d n u n g ist es, welches dafür zu sorgen

hat, daß eine Abänderung und Abstufung der Ausgliederungsfolgen

* S. *

S.

1

Vgl. auch meine Erklärung der „Renten“ aus dem Vorrange in meinem Buche: Die

Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre, 26. Aufl., Heidelberg 1949,

S. 89. Siehe die Vorranglehre oben S. 223 L, die über alle Subjektivität hinausgeht.