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im Sterben begriffen) fördernden Widerhall finden. Wie in der Glut des
Feuers nur bestehen kann, was die Glut des Feuers aushält, so k a n n i n
d e r
G e s e l l s c h a f t
n u r
b e s t e h e n ,
w a s
a m
W e s e n h a f t e n d e s G e i s t e s , d e r e i n s i t t l i c h e r i s t ,
t e i l n i m m t . Alles was „faul“ ist, alle Fehlausgliederung des
subjektiven wie des objektiven Geistes ist gebrechlich, ist verhältnismäßig
unwirklich.
IV.
Die Freibeweglichkeit des Einzelnen (Verbandswechsel)
Der Einzelne tritt in zweierlei Hinsicht nach außen hin als selbständig,
freibeweglich auf und gibt damit am meisten Grund für die
individualistische Scheinerklärung der Gesellschaft.
(1)
Er kann beliebig die Gemeinschaften und Verbände wechseln;
(2)
er kann auch geistige Inhalte erzeugen, die nicht unmittelbar einer
ausgebildeten Gemeinschaft, deren Glied er ist, angehören, so daß es
scheint, als ob er bezüglich dieser geistigen Inhalte, die seine geheimen
Gedanken und Gefühle in sich bergen, nicht vergemein- schaftet wäre.
Zu (1): Es ist klar, daß der Einzelne als Glied einer Gemeinschaft geistig
keine Selbstwüchsigkeit hat, sondern nur und schlechthin Glied, Teil
derselben ist. Denn Gemeinschaft als Ganzheit ist ein einziges Ding, nicht
mehrere Dinge — dies folgt aus dem Begriffe des Ganzen oder
Kollektivums. Schon Aristoteles sagt: Zwei Dinge sind nie ein Ding, und
umgekehrt ist darum auch ein einheitliches Ding nicht mehrere Dinge
1
. —
Nun zeigt aber die Erfahrung, daß der / Einzelne tatsächlich
Bewegungsfreiheit und in diesem Sinne Selbständigkeit hat, z. B. indem er
aus einer Gemeinschaft (Freundschaft) oder einem Verbande (Turnverein)
austritt und in einen anderen eintritt. Hier ist aber folgendes zu bedenken:
Nur jene
1
Vgl. Aristoteles: Metaphysik, ins Deutsche übertragen von Adolf Lasson, Jena 1907, VII.
Buch (Z), 13 p. 1039 a, S. 122. „Es ist ganz unmöglich, daß eine Substanz wieder aus
Substanzen besteht, die ihr als Aktuelles einwohnen. D e n n w a s i n d i e s e r W e i s e
i n W i r k l i c h k e i t z w e i i s t , k a n n n i e m a l s i n W i r k l i c h k e i t e i n s
w e r d e n ; nur wenn sie (bloß) potenziell zwei sind, können sie eins werden, wie das
Doppelte der Möglichkeit nach aus zwei Halben besteht.“ — Vgl. dazu auch Franz Brentano:
Aristoteles und seine Weltanschauung, Leipzig 1911, S. 26, und die kritischen Bemerkungen,
S. 36.