D r i t t e s H a u p t s t ü c k
Die Abgeschiedenheit
E r s t e r A b s c h n i t t
Das Wesen der Abgeschiedenheit
Die Wesenstheorien der Gesellschaft wären nicht vollständig,
wenn nicht einer Erscheinung gedacht würde, welche zwar über die
menschliche Gesellschaft hinausgeht, trotzdem aber eine bestimmte,
geschichtlich sehr wichtige Auffassung und Form menschlichen Da-
seins darstellt, jener, welche wir, indem wir uns dabei eines Wortes
Meister Eckeharts erinnern, die Abgeschiedenheit nennen.
Gesellschaftstheoretisch wurde die Abgeschiedenheit bisher nicht
beachtet, und in der Tat ist sie ja ein Grenzfall, wo Gesellschaft
überhaupt aufhört, da zu sein; dennoch wird sich zeigen, wie sie
im Grunde einer stufenweisen Steigerung des gezweiungsmäßigen
Seins entspringt
1
, dabei zugleich jeder gesellschaftlichen Wirklich-
keit in gewissem Sinne zugrunde liegt und durch ihre Betrachtung
die Theorie der Gesellschaft erst vollendet wird.
Geht der Individualismus von der inneren Selbständigkeit und
Selbstgenugsamkeit des Ich aus, der Universalismus von dem Schöp-
ferischen geistiger Gegenseitigkeit zwischen Menschen, um die Ge-
sellschaft zu erklären, so vereinigt Abgeschiedenheit in gewissem
Sinne Bestandteile beider Auffassungen in sich. Als einsiedlerischer
Zustand ähnelt sie nämlich, äußerlich gesehen, dem Fürsichsein des
Individualisten; ihrer inneren Bedingung nach aber hat sie innigste
Verwandtschaft mit dem Universalismus.
1
Siehe z. B. Platons Aufstieglehre und unten S. 236 ff.
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