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lich nichts ausmachen lasse) verschieden beteiligt sei. Max Weber,

der wichtigste Vorkämpfer für die grundsätzliche Scheidung von

Theorie und Politik in der Volkswirtschaftslehre, hat dies so aus-

gedrückt: „Eine empirische Wissenschaft vermag niemandem zu

lehren, was er soll, sondern nur, was er kann.“

1

„Was er kann“,

soll hier heißen, daß die Wissenschaft uns durch die Erkenntnis des

Gegenstandes lehre, welche Mittel wir in den Dienst unserer (sub-

jektiv verschiedenen) Zwecke stellen können.

Schon früher deckten wir den Irrtum auf, der hier zugrunde

liegt, / und deuteten die Unterscheidung an zwischen Wissen als

Macht und Wissen als Wertschöpfer. Wir werden beide nachein-

ander betrachten.

1. W i s s e n a l s M a c h t

Das Sprichwort „Wissen ist Macht“ zeigt uns eine werkzeughafte

Seite des Wissens an. Die Wahrheit wurde ja von alters her als die

Übereinstimmung eines Objektiven mit einem Subjektiven angese-

hen, und aus dieser Übereinstimmung folgt, so kann man sagen,

ihre vollkommene Parteilosigkeit, die Charakterlosigkeit des reinen

Wissens, die Entschlußlosigkeit aller theoretischen Erkenntnis, der

Gegensatz zu allem Wollen — und so betrachtet, kann es in der Tat

keine Brücke zwischen Lehre und Leben, zwischen Theorie und

Politik geben. Die Theorie erkennt, was ist, die Sittlichkeit und

Politik bestimmt, was sein soll. Ein älterer Lehrer, Friedrich Theo-

dor Vischer, hat dies treffend dahin ausgedrückt: daß der Hexen-

kreis des Wissens nicht durchbrochen werden könne

2

. Wenn jener

Begriff der Wissenschaft gilt, der in dem Worte „Wissen ist Macht“

gelegen ist, gibt das Wissen kein Ziel an, es lehrt nur das Ziel er-

reichen.

Die Chemie zum Beispiel kann uns die Erkenntnis der chemischen Verbin-

dungen lehren; ob wir sie zum Gaskrieg verwenden s o l l e n , darüber kann sie

uns nichts sagen.

So der Standpunkt jener Verfahrenlehre, die Erkennen und Han-

deln, Sein und Sollen streng scheidet, und so der heute herrschende

1

Max Weber: Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpoli-

tischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd 19,

Neue Folge Bd 1, Tübingen 1904, S. 27.

2

Angeführt bei Otto Willmann: Empirische Psychologie, Freiburg i. B. 1913,

S. 131.