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II. Wissenschaft, Erfahrung, Umwelt
Je nach dem empiristischen oder nicht-empiristischen Wissensbe-
griffe ergibt sich ein anderes Verhältnis des Wissens zur Erfahrung.
Erfahrung ist nach empiristischem Begriffe: die Summe der S i n -
n e s e i n d r ü c k e (aus äußerer wie aus gesellschaftlicher Umwelt
stammend) und ihre „Sublimierung“ zu Vorstellungen, die wieder
nach Assoziationsgesetzen „kombiniert“ werden — daher die Vor-
herrschaft der äußeren U m w e l t . — Erfahrung ist nach nicht-
empiristischer Auffassung: die eigengesetzliche (apriorische) For-
mung der Sinneseindrücke, die Gestaltung des Stoffes durch die Ka-
tegorien des Verstandes. — Über diesen „Kritizismus“ hinaus sagt
die ontologische Auffassung, das heißt der objektive (nicht bloß
subjektiv-apriorische) Idealismus noch, daß diese Kategorien zu-
gleich dem Wesensgehalte der Dinge entsprechen. In beiden Fällen
ergibt sich: In s e i n e m e i g e n e n l o g i s c h e n G e s e t z e
i s t d a s D e n k e n v o n d e m w e c h s e l n d e n I n h a l t e
d e r E r f a h r u n g b e f r e i t .
Wissenschaft ist darum nach nicht-empiristischer Lehre keines-
wegs schlechthin von der Umwelt, vom Erfahrungsinhalte abhän-
gig. Wissenschaft hat als Verkörperung des Logischen eine eigen-
gesetzliche Bedingtheit und eine eigene Entwicklung. Denn sie ent-
steht erst durch richtiges wesenhaftes Denken, besonders durch
gültige / Verallgemeinerung von Erfahrungsinhalten, und erhebt
sich eben damit über bloße, wechselnde Erfahrung.
Wissenschaft ist, wie ihrem Inhalte so auch ihrem formalen Ge-
füge nach, etwas Selbständiges. Die Wahrheit wissenschaftlicher Er-
kenntnis beruht nicht, wie der Empirismus will, auf der Summe des
am öftesten Empfundenen und Gedachten, noch ist sie ein mechani-
scher Reflex äußerer Umwelt, oder eine Gewöhnung, von der Um-
welt bedingt. Wahrheit ist vielmehr die wesengemäße Weise der
Erkenntnis, damit zugleich eine Norm und ein Wert
1
.
Gleichviel, wie man dies im Einzelnen weiter bestimmt (auf die
Probleme der Logiker über die weitere Entwicklung des Wahr-
heitsbegriffes uns einzulassen, haben wir keine Ursache
2
), die
1
Vgl. unten S. 341 ff.
2
Den Entwurf einer Logik vom ganzheitlichen Standpunkt siehe in meinem
Beitrag: Die Einheit von Theorie und Geschichte, in: Aus Politik und Geschichte,