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Grundlage für jede Beurteilung der Wissenschaft als einer Erschei-

nung, die in der G e s e l l s c h a f t auftritt, muß immer diese

Erkenntnis ihrer vorempirischen, apriorischen Wesenheit bilden.

Das logisch Richtige, die Wahrheit, ist ihrer Idee nach etwas vor

und unabhängig von aller Erfahrung Gegebenes, daher kann es nicht

zweierlei Wahrheit geben, d a h e r i s t e s w i d e r s i n n i g ,

ü b e r d i e W a h r h e i t a b s t i m m e n z u l a s s e n . Was

wahr ist, kann nimmermehr unwahr werden.

Ist Erfahrung der durch eigene geistige Aktivität erzeugte Le-

bensinhalt, so hat auch „U m w e l t “ niemals den Sinn eines von

außen gegebenen, toten, auf uns im mechanischen Sinne „einwir-

kenden“ Gegenstandes. Wir haben schon in einem andern Zusam-

menhang dieses Verhältnis klargestellt

* 1

. Allerdings darf darum,

weil die „Umwelt“ wesentlich eine Tat unseres Auffassens (Er-

kennens) ist, der Begriff der Umwelt nicht subjektiv gefaßt werden.

— Der Einzelne kann allerdings einer angemessenen oder unange-

messenen Umwelt gegenüberstehen. Beethoven, unter Zulukaffern

aufgewachsen, hätte die Neunte Symphonie nicht geschrieben. —

Die Umwelt hat ebenso wie die „Wissenschaft“ Gemeinschaft zur

Lebensform! Denn wie gesagt, nur in Gemeinschaft wird „Umwelt“,

nur in Gemeinschaft auch Wissenschaft. Es ist lediglich die

2

Bewe-

gungsfreiheit des Einzelnen (Verbandswechsel) und sein beziehungs-

weises Unvergemeinschaftetsein, was die Erscheinung und den Be-

griff / einer von ihm unabhängig wirkenden, ihm widerstehenden

Umwelt erzeugt. In der vollkommenen Ganzheit ist sich nichts

fremd und äußerlich, daher auch nichts „Umwelt“. Im Organismus

z. B. gibt es keine „Umwelt“ für die Organe. Man k a n n n i c h t

s a g e n , d i e L u n g e , d a s B l u t s e i e n d i e „ U m w e l t “

d e s H e r z e n s ! Warum nicht? Weil Gegliedertheit, Gemein-

schaft, Enthaltensein im Ganzen ihr Wesen bestimmt. „Gliedhaftig-

keit“ und „Entsprechung“ tritt hier an die Stelle des äußerlichen

Begriffes von „Umwelt“.

Gedächtnisschrift für Georg von Below, herausgegeben von seinen Schülern und

Freunden, Berlin 1928.

1

Siehe oben S. 182 ff. das Beispiel der verschiedenen Umweltsbedeutung eines

Eisenvorkommens für den europäischen Ingenieur und für den Neger.

2

Siehe oben S. 159 ff.

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