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des Buddhismus aus der Philosophie, aus der er zur Volksreligion wurde, und
des Christentums, das umgekehrt als Volksreligion begonnen hat.
„Ihren Sieg über andere religiöse Kulte verdanken jedoch die beiden...
Weltreligionen sicherlich nicht diesen immerhin verschiedenen äußeren Ur-
sprungsbedingungen, sondern dem religiösen und sittlichen Kern, den sie in
den Aussprüchen und Reden sowie nicht minder in dem vorbildlichen Leben
ihrer Begründer in sich tragen.“
1
„Dem reiht sich im Christentum noch
ein anderes Motiv an, d a s . . . den Boden für die neue Religion befreit finden
ließ“
2
, nämlich eine große Fähigkeit der Assimilation alter mythologischer
Legenden, wodurch es komme, daß selbst noch das heutige Christentum „ein
Nebeneinander der verschiedensten Stufen religiöser Entwicklung in sich ver-
einigt“
3
, indem nämlich Zauber-, Dämonen- und polytheistische Göttervorstel-
lungen noch neben dem Monotheismus einhergehen. Dazu kommt ferner bei
beiden Weltreligionen die Erhebung des rein persönlichen Gottes zur überper-
sönlichen Gottheit
4
. Dadurch allein könne die nationale Stufe der Religion mit
einem persönlichen Gotte überwunden und die internationale Stufe erlangt wer-
den. „Während die nationale Religion den unterpersönlichen Dämon durch den
persönlichen Gott verdrängt, erhebt sich in der Weltreligion der persönliche
Gott zur überpersönlichen Gottheit. Hier steht zugleich die Weltreligion in
engster Verbindung mit der Weltkultur.“
5
Diese Ausführungen mögen zugleich zeigen, wie auch das Resümee eines
Meisters der induktiven Forschung (auf einem so viel gepflegten Gebiete!) nur
zu recht ärmlichen und verschwommenen Ergebnissen kommt und wie die
„psychologische“ Richtung Wundts ebenso ergebnisarm ist wie die neueste
ethnologische.
1
Wilhelm Max Wundt: Elemente der Völkerpsychologie, 2. Aufl., Leipzig
1913, S. 494.
2
Wundt: Elemente der Völkerpsychologie,... S. 496.
3
Wundt: Elemente der Völkerpsychologie,... S. 497.
4
Wundt: Elemente der Völkerpsychologie,... S. 497 ff.
5
Wundt: Elemente der Völkerpsychologie,... S. 499.