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den Vorrang vor dem geführten, die Mitte vor dem Umkreis, das

höhere Ganze vor dem niederen.

Blicken wir auf unsere Zergliederung der Teilinhalte Religion,

Wissenschaft, Kunst zurück, so ergeben sich von selbst folgende Vor-

rangsätze:

Religion ist vor Wissen; aber Religion will sich in Wissen ver-

wandeln. — Das will sagen: das religiöse Erlebnis ist vor seiner be-

grifflichen Gestaltung; will sich aber begrifflich gestalten

1

. Der

Glaube kommt erst im Wissen zu sich selbst. — Daher gilt auch:

Religion ist vor Philosophie

2

.

Wissen ist vor Kunst; denn: Nur das Gewußte kann gestaltet

werden; es vollendet sich erst in der Gestaltung

3

. Auch das Wissen

kommt erst durch Kunst zu sich selbst, auch das Gewußte muß aus-

gedrückt, muß gestaltet, muß durch Sich-Darstellen entfaltet werden

(zum Beispiel der Gedanke im Worte, die Empfindung im Han-

deln; Wort, Gebärde, Handlung sind ja schon Gestaltungen, künst-

lerische Taten)

4

. — In weiterer Folge gilt:

Religion, Wissen, Kunst als das Geistursprüngliche sind vor dem

daraus Abgeleiteten. Darüber erst später mehr

5

.

Zur Erläuterung mögen folgende Erinnerungen dienen.

Der Vorrang tut vor allem der Arteigenheit, Ursprünglichkeit

des Nachgeordneten keinen Abbruch. Wissen ist nach Religion,

aber Wissen leitet sich nicht von Religion ab, sondern ist arteigen,

ist ursprünglich; Kunst ist nach Wissen, aber Kunst ist keine Abart

des Wissens, sondern ist arteigen, ist ursprünglich.

Der Inhalt unserer Vorrangsätze rechtfertigt sich aus den bis-

herigen Untersuchungen. Auf die grundlegende Rolle, auf den un-

bedingten Vorrang des übersinnlichen Geistesgrundes sind wir in

verschiedenen Zusammenhängen überall gestoßen. Ihm entspricht

der Vorrang von Religion und metaphysischer Philosophie vor

1

Vgl. oben S. 347 und 404 ff.

2

Siehe oben S. 424 f.

3

Vgl. oben S. 406 und 374 ff. — „Das Gewußte“ bedeutet natürlich nicht den

ausgearbeiteten Begriff, nicht die entfaltete wissenschaftliche Lehre. Eine aus-

führliche Begründung siehe in meinem Buch: Gesellschaftsphilosophie, Handbuch

der Philosophie, München 1928, Abteilung IV, S. 80 ff.

4

Vgl. oben S. 325 ff. und 331.

6

Vgl. unten S. 440 ff., oben S. 305 und 331; Vorrang des Geistes vor Han-

deln, siehe oben S. 323.