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(a)
Grundlage für die Entfaltung der Sinnlichkeit,
(b)
Grundlage für die Entfaltung geistiger Eigenschaften zu wer-
den, also die Unterlage für Vergegenständlichung des gesamten
sinnlich-geistigen Lebens zu bilden.
Wir haben in einem früheren Zusammenhange die Grundge-
danken der neuzeitlichen soziologischen Rassentheorien dargestellt
1
.
Nun gilt es, sie zu beurteilen.
Die Rassentheoretiker Gobineauischer Schule haben im Kerne
ihrer Behauptungen, nämlich in dem Streben, die höhere Rasse in
der Geschichte zu werten, so unrecht nicht und treffen in einem ge-
wissen Sinne die geschichtliche Wahrheit. Aber ihre Gedanken sind
zweifellos allzu materialistisch gefaßt, weil sie sie von der mechani-
schen Gesetzlichkeit des Erbstoffes aus Gesellschaft und Geschichte
bestimmt sein lassen. Das ist unannehmbar.
Die Frage ist, wie sich Begriff und Denkaufgabe der Rassentheorie
vom Standpunkte der universalistischen Gesellschaftslehre aus dar-
stellen.
Der erste Grundsatz muß da lauten: G e s e l l s c h a f t i s t
e i n e g e i s t i g e W e l t , sie ist nicht selbst und unmittelbar eine
Welt physiologischen „Erbstoffes“; aber doch wieder eine Welt, die
einen bestimmten rassenmäßig-organischen Erbstoff braucht, u m
s i c h d a r z u s t e l l e n , um zur Erscheinung zu gelangen. Aber
gleichwie es nicht richtig ist, z. B. die Geschichte der Baukunst von
den Baustoffen her oder jene der Musik von den musikalischen Ge-
räten her zu schreiben, ist es auch unmöglich richtig, sie vom Erb-
stoff der Rasse her zu schreiben. Indessen ist doch auch wieder Mu-
sikgeschichte ohne Geschichte der Geräte undenkbar. Wo liegt da
der Fehler?
Der Grundfehler ist, den Begriff der Rasse allein vom Körper-
lichen aus zu fassen, ohne Rücksicht auf das beherrschende geistige
Element. Wird aber geistiges Element einmal angenommen, dann
muß es vor dem körperlichen notwendig den V o r r a n g haben.
„Rasse“ ist daher nicht allein durch die Mendelischen Vererbungs-
gesetze noch durch die Gesetzlichkeit des Erbstoffes überhaupt be-
stimmt (nicht einmal beim Tiere, wovon wir aber hier absehen),
sondern darüber hinaus durch ein geistiges Element. Rassezucht bei
1
Siehe oben S. 25 f. und 317.
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