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Mensch und Tier kann dann auch infolge der Verschiedenheit des
geistigen Einflusses keineswegs dasselbe sein.
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Wenn wir sagen, daß die geistige Bedingung der Rasse gegenüber
der stofflichen den Vorrang hat, so können wir das Stoffliche der
Rasse selbst als einen g u t e n I n d e x für die geistige Entwick-
lung bezeichnen. Letztere ist doch als solche das Primäre, der organi-
sche Erbstoff, der in der Rasse liegt, darf aber nicht in den Wind ge-
schlagen werden.
Wie kann die „Eigengesetzlichkeit“ der organischen Erbmaterie,
um die es ja in der Rassenlehre geht, gewahrt und doch der Vorrang
des Geistigen behauptet werden? — das ist die H a u p t -
f r a g e d e r R a s s e n t h e o r i e .
Wir gehen davon aus, daß der alte Satz: „Es ist der Geist, der
sich den Körper baut“, bestehen bleiben muß. Er darf aber nicht
spiritualistisch verstanden werden, als schüfe der Geist bei dem Ent-
stehen jedes Menschen jedesmal den Baustoff, den organischen Erb-
stoff, von sich aus, neu und selbständig. Das ist nicht der Fall. Der
Geist gleicht hier vielmehr dem Baumeister, der den jeweils vor-
gerichteten Baustoff mit den diesem selbst eigenen Gesetzen schon
vor sich hat; der Baumeister baut, ohne diese Gesetze zu verändern.
Oder, es gleicht der Geist, um noch ein anderes Bild zu gebrauchen,
dem Gärtner, der Blumen zieht, ohne in die Gesetzlichkeit des
Wachstums der Pflanzen einzugreifen, ohne diese zu verändern
1
.
Der G e i s t r ü h r t a n d i e G e s e t z e d e s o r g a n i -
s c h e n S t o f f e s n i c h t , a b e r e r s c h a l t e t m i t d e m
S t o f f e , d e n e r v o r f i n d e t , s e l b s t h e r r l i c h . — Hat
der Geist auf diese Weise seinen Körper einmal „gebaut“, dann
gleicht er nicht mehr dem Baumeister am Beginne seiner Tätigkeit,
der in vielem noch die Wahl frei hat, sondern jenem, der schon
mitten im Baue ist, daher an seinen Baustoff und dessen Gesetze sich
gebunden sieht; ebenso jenem Gärtner, dessen Blumen schon ge-
pflanzt sind und in Blüte stehen; oder ein Bild, das genauer sein
1
Vgl. mein Buch: Kategorienlehre, Jena 1924, S. 311 und 322 ff. [2. Aufl.,
Jena 1939, S. 356 und 365 ff.] (= Ergänzungsbände zur Sammlung Herdflamme,
Bd I); die Grundlage obiger Beispiele bildet der Begriff von der „Gezweiung
höherer Ordnung“, der aber an dieser Stelle nicht entwickelt werden kann. Vgl.
mein Buch: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 180 ff., 318 ff. und
öfter
(—
Ergänzungsbände zur Sammlung Herdflamme, Bd 3).