F ü n f t e s H a u p t s t ü c k
Die Teilganzen der Wiedervervollkommnung und
Wertbestimmung: Sittlichkeit und Recht
I. Das Wesen von Sittlichkeit und Recht
Eine grundlegende Tatsache der Gesellschaft und Geschichte ist,
daß die geistigen Inhalte, der wissenschaftlichen, künstlerischen oder
philosophisch-religiösen Gezweiungen, nie auf ganz vollkommene
Weise verwirklicht werden. Sie sind stets mit Fehlausgliederungen
behaftet. Daraus ergibt sich die Aufgabe des Besserns, des Vervoll-
kommnens, die Notwendigkeit: daß a l l e s G e i s t i g e u n d
a l l e s T u n e i n e R i c h t u n g a u f d a s V o l l k o m m e n e
a n n i m m t. Diese Richtung auf das Vollkommene ist die S i t t -
l i c h k e i t . Das Ziel der Wiedererlangung des Vollkommenen ist
das Vollkommene selbst: das G u t e ; das Unvollkommene das
B ö s e . An die Sittlichkeit im weiteren Sinn schließt sich das
R e c h t an als eine Sonderform der Wiedervervollkommnung.
In ihrer Eigenschaft als Wiedervervollkommnungsordnungen ha-
ben Sittlichkeit und Recht ihre letzte Quelle im metaphysischen
Kerne der Kultur, in Religion und Philosophie. (Man denke an
Beispiele wie: Eid, Gottesurteil, Ahnenverehrung, Zehn Gebote.)
Sofern in dieser Wesensbestimmung von Sittlichkeit und Recht
enthalten ist, daß das Vollkommene als Z i e l auftritt, als Ziel der
inneren geistigen Arbeit sowohl wie des äußeren Handelns, müssen
die verschiedenen Inhalte desselben nach ihrem verschiedenen
R a n g e o d e r W e r t e bestimmt werden. In diesem Sinne sind
Sittlichkeit und Recht auch die Teilganzen der R a n g u n d
W e r t b e s t i m m u n g zu nennen. Der „Wert“ oder „Rang“
dessen, was als logisch richtig, als künstlerisch schön, als übersinnlich
gültig bestimmt wird und in den ursprünglichen Gemeinschaften