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r e i n n o r m a t i v , n i c h t m a t e r i e l l d u r c h L u s t u n d U n l u s t ,

s o n d e r n f o r m e l l v o n i h r e r e i g e n e n N o r m ( i h r e m e i g e n e n

G e s e t z ) b e s t i m m e n z u l a s s e n , b e g r ü n d e t d i e S i t t l i c h k e i t ,

begründet sie als ein eigenes, nicht psychologisches Gebiet — als das R e i c h d e r

W e r t e , das in Gegensatz tritt zum R e i c h d e s L u s t - u n d U n l u s t -

g e h a l t e s d e r E m p f i n d u n g e n .

Das moralische Gesetz, der Bestimmungsgrund des Willens, kann nur der

Form nach, nicht dem Willensinhalt, nicht der Materie nach gelten. K a n t /

sagt hierüber: Glücklich zu sein, ist notwendig das Verlangen jedes vernünf-

tigen Wesens; die Glückseligkeit ist aber ein materieller Bestimmungsgrund des

Handelns, kann nur empirisch (nicht allgemeingültig, nicht durch Vernunftge-

brauch) erkannt werden. „Worin ... jeder seine Glückseligkeit zu setzen habe,

kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust und Unlust an . . .“

1

.

Kantens Sittenlehre bleibt rein f o r m a l , und, da sie vom auto-

nomen Einzelnen ausgeht, auch i n d i v i d u a l i s t i s c h

2

. Seine

Lehre erweist sich hier wie überall als die Minimumphilosophie.

Sie leistet Unvergleichliches zur Überwindung des Empirismus und

verhindert damit den Rückfall in Barbarei; aber im Fortgange der

Aufgabe bleibt sie bald im Formalismus stecken, namentlich nach

heutiger neukantischer Auffassung, die die noumenale Metaphysik

Kantens nicht gelten lassen will.

Die Form, die Kant seinem Sittengesetz (dem „kategorischen Im-

perativ“) gab, gehört nicht in die Gesellschaftslehre, denn diese hat

nicht selbst Sittenlehre zu treiben.

Eine objektive, inhaltliche Begründung der Sittenlehre müßte im

Gegensatze zur apriorischen (formalen) das Wertsystem des geistig-

gesellschaftlichen Lebens aus objektiven Bestimmungen des Seienden

selbst hernehmen, dürfte bei keinerlei Subjektivität noch Formalem,

auch nicht der Vernunft als solcher, stehenbleiben. Danach haftet

den Wesen an sich auch ihre Bestimmtheit als gut oder vollkommen,

ihr Wert, an. Die Wesensstufe ist zugleich Vollkommenheitsstufe,

ist Stufe der Gottähnlichkeit. Die Welt erscheint dann nicht nur als

Stufenordnung der Wesen, sondern auch als Zweckordnung (gött-

liche Theologie). Die früher angeführte Formel urältester Weisheit:

„W e l t o r d n u n g = K u l t o r d n u n g = R e c h t s o r d -

n u n g“ hat diesen Sinn. Das g ö t t l i c h e N a t u r r e c h t

w i r d d a m i t z u r G r u n d l a g e d e r S i t t l i c h k e i t , d e r

1

Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft (1788), herausgegeben

von Karl Vorländer, 5. Aufl., Leipzig 1906, S. 31 und 32 (= Philosophische

Bibliothek, Bd 38).

2

Wie sich oben S. 256 ff. zeigte.