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tik also nicht. Dagegen ist „Vertretung“ — im Kriege nicht in glei-
cher Weise möglich wie in der Politik.
Die Tätigkeit im Kriege ist an u n m i t t e l b a r e s M i t t u n
gebunden. Die Krieger müssen alle wirklich mitkämpfen; sie kön-
nen / sich nicht vertreten lassen. Hinter einem politischen Ab-
geordneten stehen tausend Wähler, die Soldaten können das Schla-
gen nicht dem Feldherrn überlassen. — Krieg geht also zwar gleich
der Politik von Bündnissen aus, muß sich aber, im Gegensatz zur
Politik, auch in Bündnisform, nämlich als gleichgerichtetes Handeln
vieler, vollziehen. — In einem mittelbaren Sinne ist freilich auch
hier Vertretung möglich, sofern nämlich nicht die verbündeten In-
teressenten selbst es sein müssen, die den Kampf ausfechten. Sie kön-
nen ihn anderen übertragen, was auch stets in weitem Maße ge-
schieht und vielfach gar nicht anders möglich ist. Den grellsten Fall
von Vertretung zeigt das S ö l d n e r h e e r ; den gemildertsten das
Heer der allgemeinen Wehrpflicht; nur im Bürgerkrieg ist die Ver-
tretung noch mehr herabgemindert.
Die Gewalten endlich, die im kriegerischen Handeln zur Anwen-
dung kommen, sind gleichfalls andere als jene, welche die Politik
beherrschen; es sind nämlich nur die handgreiflichen Gewalten, Frei-
heitsberaubung, körperliche Verletzung oder Tötung.
Da die handgreiflichen Gewalten nur die Reihe jener andern Ge-
walten, die auf dem Gebiete der Politik wirksam sind, logisch ver-
vollständigen, so steht kriegerisches Handeln als stärkstes und letztes
Mittel hinter dem politischen Handeln. Das zeigt sich denn auch
darin, daß die politischen Unternehmungen (z. B. Wahlrechtskund-
gebungen) oft in gewalttätige Straßenkundgebungen übergehen.
Diese innigste Wesensverwandtschaft des Krieges mit aller Art
von P o l i t i k , die doch als verbündetes Handeln ganz unentbehr-
lich im Haushalte der Gesellschaft ist, ebenso seine Verwandtschaft
mit dem unorganisierten (unverbündeten) gegensätzlichen Handeln
der im Wettbewerb einander gegenüberstehenden einzelnen Indi-
viduen beweisen, wie wenig der Krieg aus dem Stile des gesellschaft-
lichen Lebens herausfällt, wie er im Gegenteil zu den grundsätz-
lichen Lebensäußerungen der Gesellschaft gehört. Der Krieg ist so-
mit, in diesem Lichte betrachtet, kein „Anachronismus“. Gerade in
unserer „fortgeschrittenen Zeit“ nicht. Denn keine Wirtschafts- und
Gesellschaftsordnung, so lange es eine Geschichte gibt, war je so