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[404/405]

krieges ewigen Frieden schließen. Das ist deswegen ein zwingender

Schluß (dem man nicht mit dem Einwande, jeder Fortschritt sei

einmal zuerst eingetreten, begegnen kann), weil sich an der inner-

sten Grundlage und Wesenheit des Geschichtsverlaufes bis heute

nichts geändert hat.

Es sei erlaubt, auf diesen für unsere gesamte völkische und politische Denk-

richtung so wichtigen Gegenstand noch näher einzugehen. An dem letztbe-

rührten Punkte kommt gerade das ausschlaggebende, geheimere Argument der /

Friedenstheoretiker zum Vorschein: die Vorstellung, es habe sich die Grundlage

des Geschichtsprozesses, die menschliche Natur, wirklich geändert, die Meinung,

wir seien unter dem Einflusse von Dampf, Elektrizität, Maschine und Verkehr

im Innersten andere Menschen geworden, als unsere Vorväter waren. Diese

Vorstellung hat ja auch bei der Begründung anderer umwälzender Bestrebungen,

z. B. in der modernen Kunst, eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Im Grunde ist

es aber ein recht dilettantischer Darwinismus, der hier ausgespielt wird. Nach

den Mendelschen Gesetzen sind die Rassen im Grunde überhaupt beständig.

Aber auch der Darwinische Naturforscher kann nur die langsamste Umbildung

der Arten annehmen und wird sich hüten, derartige Folgerungen aus der kurzen

und in Wahrheit mehr die Oberflächen als die Tiefen berührenden modernen

Entwicklung zu ziehen. Überdies ist die moderne Welt in der Rasse entschieden

zurückgegangen. Galton hat mit Recht erklärt, daß die Durchschnittsintelligenz

des modernen Europäers erheblich hinter der des Atheners antiker Zeit zurück-

steht. Man erinnere sich einmal an die Leichenrede, die Perikies den ersten

Gefallenen des Peloponnesischen Krieges in Athen gehalten hat, und frage sich,

ob auch nur eine ähnliche Rede heute selbst allein vor Gebildeten (nicht vor

dem Volke) möglich wäre und Verständnis fände.

Aber auch rein gesellschaftswissenschaftlich ist die Schlußfolgerung von den

äußeren Fortschritten der Z i v i l i s a t i o n auf die Umbildung des inneren Men-

schen und des Geschichtsverlaufes höchst mangelhaft. Das moderne Leben hat

zwar in der Vermehrung der Bildungsgelegenheiten, der Steigerung des geistigen

Verkehrs, dem Fortschritte der exakten Wissenschaften große geistige Um-

wälzungen vollzogen, es hat aber andererseits durch die allzu rasche äußere

Entwicklung eine Überlieferungslosigkeit in unsere Bildung, unsere Kunst,

unsere Lebensführung gebracht, die uns die edelsten und tiefsten Grundlagen

unserer nationalen Kultur verlieren ließ. Was ist uns heute die Romantik, die

Klassik, die große deutsche Philosophie von Fichte bis Hegel, die einst Gemein-

gut aller Gebildeten waren? Tröstlich ist nur der rege Historismus, der neuestens

alle Zweige unserer Kultur belebt. Gerade er aber beweist, wie sehr wir herab-

gekommen sind und wie nötig wir es haben, überall Altes auszugraben, um die

zerrissenen Fäden wieder anzuknüpfen.

Trägt das Abreißen der Überlieferung schuld an innerem Rückschritt, so hat

noch überdies die äußere Entwicklung durch Vervielfältigung der Interessen

und Hypertrophie des wirtschaftlichen Lebens die Zwiste und Reibungen im

staatlichen Leben vermehrt. Und so ist es von allen Seiten her gesehen falsch,

im Kriege eine zeitwidrige Erscheinung, die in das moderne Leben nicht mehr

passe, zu sehen. In Wirtschaft, Gesellschaft, Staat und innerer Entwicklung

des Menschen zeigt sich genau das Gegenteil: alles ist mehr auf Gewalt und

individualistische Interessenverfolgung abgestimmt denn in irgendeiner Zeit.