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einzelne Mitglied insofern getroffen, als ihm das teilnehmende Tun
daran nunmehr untersagt ist. Oder wenn umgekehrt eine Körper-
schaft tätig auftritt und als solche Rechte er- / wirbt und ausübt, so
läuft das immer nur darauf hinaus, daß die Angehörigen des Ver-
bandes nur in ihrem teilnehmenden Tun, in ihrer G l i e d h a f -
t i g k e i t Rechte erwerben oder ausüben.
Erwirbt z. B. eine Stiftung, die scheinbar gar keine „Angehörigen“ hat, in
Wirklichkeit aber doch eine Anstalt ist, das Recht, Staatspapiere zu günstigeren
Bedingungen zu beziehen, so erwerben damit im Grunde die Unterstützenden
für die von der Stiftung Unterstützten dieses Recht. Hier wird nun von der Fik-
tionstheorie der für jeden Individualismus bezeichnende Fehler begangen, zu
schließen: wenn es nur das teilnehmende Tun Einzelner ist, auf das die „Einheit“
des Verbandes zurückgeht, so folgt daraus, daß diese Einheit oder Ganzheit nur
eine Unterstellung (Fiktion) ist. Dieser Gedankengang sieht die Wahrheit nicht,
die darin liegt: daß G a n z h e i t z w a r n i c h t a l s s o l c h e e r s c h e i n t
(gleichwie es den menschlichen Körper als solchen nirgends gibt), sondern nur in
den Gliedern (in den Organen Herz, Lunge und so fort); daß sie aber darum
doch wirksam ist, und zwar als das logische Prius der Teile. Die V e r b a n d s -
e i n h e i t i s t k e i n e „ F i k t i o n “ , F i k t i o n i s t d a s s e l b s t ä n d i g e
D a s e i n d e r T e i l e . Die teilnehmenden Handlungen an sich wären sinnlos,
gleichsam nicht existierend, ein Herumfuchteln in der Luft. Erst durch Gliedhaftig-keit
werden sie sinnvoll-wirklich, erst das Ganze v e r l e i h t ihnen Sinn und
Dasein. Es ist darum in den Tatsachen wohl begründet, die Organisation als ein-
heitliches Rechtssubjekt und Rechtsobjekt zu behandeln.
Zusammenfassend können wir sagen, daß es die Ganzheit der
Handlungen ist, womit die Einheit oder Verbandspersönlichkeit
geschaffen wird und womit namentlich auch für das Recht die Mög-
lichkeit entsteht, den Verband als Einheit, als „Person“, zu behan-
deln
1
.
V.
Anstalt, Satzung und Gemeinschaft. Die angebliche Einerleiheit
von Satzung und Anstalt
Das Verhältnis von Anstalt und Gemeinschaft geht auf dasjenige
von Handeln und Empfindung zurück
2
. Indem Veranstaltung die
geistige Gemeinschaft sowohl technisch ermöglicht (durch Bahnung,
1
Kurze Entwicklung der Frage bei Otto Gierke: Das Wesen der mensch-
lichen Verbände, Rede, bei Antritt des Rektorats am 15. Oktober 1902 gehalten,
Leipzig 1902.
Siche auch oben: Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft, S. 148 ff. und
170 f.
2
Siehe oben S. 318 ff.