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ger-, Beamtenstandes. — Die „öffentliche Meinung“ ist ebenso

Bedingung weiterer „Meinungsbildung (Urteilsbildung) der Ein-

zelnen, wie sie sich als Ergebnis vorheriger geistiger Gemeinschafts-

bildung darstellt. Wesentlich ist: es g i b t n i c h t E i n e ö f -

f e n t l i c h e M e i n u n g , s o n d e r n v i e l e ; alle zusammen

stellen sich zuletzt als Glieder der gesamten völkischen und übervöl-

kischen Bildung und Geistesbewegung dar. (Eine öffentliche Mei-

nung der Politik, der musikalischen Welt, der gelehrten Welt, der

chronique scandaleuse oder des Klatsches, der Zunft, des Offiziers-

standes, der Straße, des Dorfes und so fort). — Die Vollkommenheit

ist erreicht, wenn Autorität und aktuierte öffentliche Meinung, im

Sachgehalte der Gezweiung verankert, Zusammentreffen.

In der „literarischen und politischen Anständigkeit“ hat sie eine

Art Sonderkanon öffentlichen Benehmens, eine eigene Satzung,

ebenso wie im parlamentarischen Kodex. Ächtung, Massenkundge-

bungen sind unter anderem ihre besonderen Arten von Gewalt-

äußerung.

Die Stellung des Zeitungswesens hat Wilhelm Bauer (Wien) in dem Aufsatz:

„Öffentliche Meinung“ treffend dargestellt. Er schreibt: „Stand im Altertum die

mündliche / und geschriebene Rede, im Mittelalter die Flugschrift und das Lied

im Vordergrunde, so spielt in den neueren Jahrhunderten die Z e i t u n g die

Hauptrolle. Es wäre aber ein Irrtum, zu meinen, wie dies öfter geschieht, Presse

und öffentliche Meinung seien einfach gleichzusetzen. Nicht nur daß die Presse

sehr viel individuelle Meinungsbestandteile mit sich führt (durch das Sonder-

interesse der Zeitungsunternehmer, der Parteien usw. diktiert), so überschätzt man

gemeinhin ihren Einfluß auf die Leser. Es zeigt das Ergebnis von Wahlen und

Volksentscheiden vielfach ein deutliches Mißverhältnis zwischen den in den meist-

gelesenen Zeitungen verbreiteten Meinungen und dem Ausfall der allgemeinen

Willensäußerung. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß die moderne

Presse nicht bloß sehr viele kollektive Denkelemente in sich vereinigt, sondern

auch ihrem ganzen Zustandekommen nach ein Sammelerzeugnis verschiedenster

Herkunft darstellt, auf dessen Richtung ein einzelner nicht in jedem Falle bestim-

menden Einfluß üben kann. Die großen Nachrichtenorganisationen (Depeschen-

büros, Korrespondenzen) bilden heute eine Art

Überpresse

und sind dank ihrer

privilegierten Stellung und ihrer Verbindungen den Sonderberichterstattern viel-

fach überlegen. Indem also jede Zeitung in sich selbst einen kollektiven Meinungs-

kreis vereinigt, der als eine Art Organismus sein eigenes Leben lebt, andererseits

durch die großen Organisationen der internationalen Nachrichtenvermittlung an

dem Blutkreislauf der überstaatlichen und übernationalen Meinungsverbreitung

beteiligt ist, verkörpert sie in gewissem Sinne wirklich am deutlichsten das Wesen

der modernen, stadtgebornen öffentlichen Meinung.“

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Stichwort „öffentliche Meinung“, in: Politisches Handwörterbuch, heraus-

gegeben von Paul Herre, Bd 2: L—Z, Leipzig 1923, S. 227.