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V o l k s t u m e r f ü l l e n . Philosophie, Religion, Wissenschaft,

Kunst, Sittlichkeit — das sind die grundlegenden Inhalte aller Kul-

tur; dazu kommt noch die bestimmte Richtung der Sinnlichkeit

(Sinnesempfindung jeder Art), auf denen sie ruhen. — Die Ge-

samtheit dieser geistigen Inhalte nannten wir schon früher: die

Kulturgemeinschaften. Betrachten wir ihr Verhältnis zum Volks-

tum, so finden wir, daß wir immer nur die wesentlichen Grund-

züge der geistigen Gemeinschaften herauszuschälen brauchen, wenn

wir das Eigenartige eines Volkstums bestimmen wollen. Wollen wir

das Griechische kennzeichnen, so sehen wir, daß es eine durch plasti-

sches, aber metaphysisch gerichtetes, klares Denken und eine eben-

solche Kunst bestimmte Eigenart ist, die den geistigen Inhalt dieses

Volkes bestimmt. Das Indische ist zu kennzeichnen durch die un-

bedingte, kräftige metaphysische Empfindung, die das ganze Leben

und Denken dieser Kultur beherrscht hat. Die Römer sind durch

ihre sittlich-rationalistische Grundlage, durch die daraus abgeleitete

Kraft des Handelns als das weltbeherrschende Staatsvolk gekenn-

zeichnet. Den K e r n u n d d a s W e s e n d e r v ö l k i s c h e n

G e m e i n s c h a f t b i l d e n d i e K u l t u r g e m e i n s c h a f -

t e n .

Welche Rolle können nun neben den Kulturgemeinschaften noch

die anderen Gemeinschaften der Menschen spielen, das ist die Frage,

von deren Beantwortung die Beseitigung aller jener Schwierigkeiten

abhängt, die wir oben gegenüber Staat, Sprache und so fort ange- /

sichts der geschichtlichen Wirklichkeit fanden. Wirtschaftlichen, po-

litischen, technischen Erscheinungen gegenüber bilden sich Denk-

und Gefühlsinhalte, die vergemeinschaftet werden: Stände, Schich-

ten, Parteien, Landsmannschaften, Schulen und Gruppen der man-

nigfachsten Art. Wir haben sie als Neigungsgemeinschaften und

Massenzusammenhänge bezeichnet, die als „abgeleitete Gemeinschaf-

ten“ großenteils wieder auf Wissenschaft, Kunst, Religion als die

ursprünglichen zurückgehen

1

. Dennoch leiten sich wesentliche

Teile ihres Inhaltes nicht unmittelbar von den I n h a l t e n der

Kulturgemeinschaften ab, sondern erst von Mittelgliedern und Fol-

gen (Hilfshandeln, Handeln höherer Ordnung!) und überdies von

dem Äußerlichen, Technischen des gemeinsamen Zusammenlebens

1

Siehe oben S. 440 ff.