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Da alle Gemeinschaft organisiert sein will, der Staat als die ide-

elle latente Einheit der Veranstaltung alle Anstalten — kraft seiner

Eigenschaft als Höchststand — ideell in sich versammelt, ist er zu-

gleich die G e g e n w a r t a l l e r g e i s t i g e n E l e m e n t e

d e s L e b e n s ; und in diesem v e r m i t t e l t e n S i n n e end-

lich o b e r s t e r E r z i e h e r u n d H e r r s c h e r , da ja schon

die Anstalt ihrem Wesen nach ist: Hervorrufer, Schöpfer von Geist,

wie Schöpfer von Handeln und Tätigkeit.

/

Diesen wohlbegründeten Sinn hat es, wenn Platon und Aristoteles sagen, der

Staat habe die A u f g a b e , s e i n e B ü r g e r g u t z u m a c h e n ; und wenn

Adam Müller den Staat die „T o t a l i t ä t d e s L e b e n s “ nennt. Dagegen

soll es nicht den Sinn haben, als ob der Staat einziger Stand wäre, ein Leviathan,

der alles verschlingt.

Einer besonderen Erklärung bedarf der Staat als „Gradbegriff“.

Der nur ideell vorhandene Charakter des Staates als Einheit aller

Anstalten (Stände) schließt es in sich, daß auch scharfe Gegensätze

zwischen diesen gleichsam entsandten, aus ihm entlassenen Teil-

anstalten und ihm bestehen können.

Ist ja erfahrungsgemäß schon der gegebene Staatskörper in sich selbst keine

streng geschlossene Einheit, zum Beispiel wenn in verschiedenen Verwaltungszwei-

gen verschiedene Parteien Einfluß haben. Überhaupt kommt der gradhafte Charak-

ter staatlicher Einheit auf allen Gebieten seiner Tätigkeit, wie in allen Formen

seines Aufbaues zum Ausdruck. Zum Beispiel gibt es sogar verschiedene G r a d e

v o n S t a a t s b ü r g e r s c h a f t , das ist verschiedener Teilnahme der Bürger

an ihm: die Armen, deren Wahlrechte ruhen, Bürger, die unter Kuratel, Pfleg-

schaft, Polizeiaufsicht stehen; ferner aktive und passive Wahlberechtigte, Ge-

schäftsunfähige, Eltern, denen ihre elterlichen Rechte aberkannt wurden, Frauen,

Minderjährige — das sind alles Glieder des Staates, welche am staatlich-bürger-

lichen Leben nicht voll Anteil nehmen. Dem stehen dann Bevorrechtete, Inhaber

von Privilegien, Ehrenbürger und dergleichen gegenüber als Staatsglieder mit —

wenigstens der Forderung nach — erhöhter Anteilnahme am bürgerlichen Leben.

Einen reinen Ausdruck dieses gradmäßig verschiedenen Teilnehmens der

Bürger am Staate bietet der s t ä n d i s c h e S t a a t . Und es zeigt sich, daß

j e d e r S t a a t n o t w e n d i g i n g e w i s s e m M a ß e s t ä n d i s c h g e -

g l i e d e r t i s t ! Selbst in Athen, wo man so weit ging, die Ämter durch Ver-

losung periodisch zu besetzen, mußte man schon allein durch Aufstellung bestimm-

ter Zulassungsbedingungen zur Verlosung Grade und Schichtungen auch innerhalb

der Vollbürger schaffen. Auch der mittelalterliche Staat, der sich in „private“

Lebensverhältnisse auflöst, kann nur auf diese Weise begriffen werden. In ihm

ist eine höchst gradweise Vereinheitlichung der Gesellschaft durch jeweils höhere

Veranstaltungen am augenfälligsten gegeben

1

.

Ähnlich stellen sich die alten R e i c h e , zum Beispiel das Reich Karls des Gro-

ßen, das ja nicht ein einziger Staat war, das „Reich“ der Perser, das „Reich“ Alex-

1

Näheres darüber noch unten S. 6o8 f.