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607

D.

Die S t a a t s a r t e n n a c h d e m G a n z h e i t s g e f ü g e

u n t e r s c h i e d e n

Die Gewalt, auf welcher der Staat beruht, ist ihrem Wesen nach

nicht Unterwerfungsgewalt des Mächtigen gegenüber dem Schwa-

chen, des Siegers gegenüber dem Besiegten, vielmehr ist sie ihrer

Idee nach ausgleichende, zum Höchstmaß geistiger und werkmäßiger

Vergemeinschaftung der Glieder führende Gewalt. Unterwerfung

im Sinne von Ausbeutung ist Zerstörung von Gemeinschaft, daher

Unterwerfungs- und Ausbeutungsstaaten wesenswidrig und in der

Geschichte niemals Dauererscheinungen sind. Es gehörte die ganze

Haßnatur eines Marx und die vollkommene Befangenheit seiner

Nachbeter im Individualismus dazu, um den Begriff des Staates als

ausbeutenden „Klassenstaat“ und der Geschichte als „Geschichte von

Klassenkämpfen“ zu kennzeichnen. „Staat“ erweist sich seinem

W e s e n nach als Organisator des Lebens, als s c h ö p f e r i s c h e

Macht, nicht als Unterdrücker.

An einigen wichtigen Arten, wie Staatsgewalt ausgeübt wird —

Staatsarten gegenüber den „Staatsformen“, die bloß Leitungsformen

sind —, sei nun diese Begriffsbestimmung geprüft.

1

1. Der d u r c h U n t e r w e r f u n g e n t s t a n d e n e

S t a a t

Alle geschichtlich gegebenen Staatsgebilde können in gewissem Sinne auf-

gefaßt werden als durch Unterwerfung, oder durch Vorgänge, die sich davon

ableiten (zum Beispiel Befreiung), entstanden. Diese fallweise Entstehung durch

Unter- / werfungsgewalt ist aber etwas ganz anderes als das spätere B e s t e h e n

des Staates durch seine eigene Staatsgewalt, in dem er sein Wesen bewähren muß.

Die innere Idee des Staates (als Organisationsgebilde und Höchststand) hat

vielmehr solche Notwendigkeit in sich, daß auch jener Staat, welcher zwischen

Siegern und Besiegten gestiftet wird, ihr untersteht, indem er alsbald die

Härte des Siegers mildern, indem er ausgleichend wirken muß. Er nimmt sofort

jene Form an, welche dem Zusammenleben des Siegers mit dem Schwächeren

unter den gegebenen Umständen ein Höchstmaß verschafft, das heißt, er gewährt

den Unterworfenen wenigstens jenes Maß von Vergemeinschaftung und Verge-

nossenschaftung, welche das Zusammenleben in einer wenigstens für den Sieger

günstigen Weise gestaltet. Dieses Zusammenleben würde nutzlos leiden und

untergraben werden, wenn der Besiegte über jenes Maß hinaus bedrückt würde.

Nach dem Grade der verschiedenen Fähigkeiten, welche die Völker bei sol-

chen Zusammenstößen mitbringen, gestaltet sich daher das durch Unterwerfung

entstandene Staatswesen sehr verschieden. Barbarische Sieger vermögen unter-

worfene Kulturträger nur dann dauernd zu beherrschen, wenn sie sich selber