602
[508/509]
Mittelalter), dann folgt daraus die Selbstverwaltung der ständischen
Angelegenheiten, was ja auch aus ihrer eben erörterten arteigenen
Souveränität folgt. Hiermit üben die Stände eigene H o h e i t s -
r e c h t e aus, sie benehmen sich in ihrem Kreise wie der Staat in
sei- / nem. Darum läßt sich dieser Sachverhalt in den Satz kleiden:
S t a n d s c h l u c k t S t a a t . Jeder Stand nimmt dem heutigen
zentralistischen Staate, der alles machen will, eine ihm zukommende
Veranstaltungsarbeit ab, die wesensgemäß nicht dem Staate, sondern
jenem jeweiligen Stande zukommt.
Gerade heute sehen wir wieder alle Organisationen arteigener
Lebenskreise dahin streben, gleichsam kleine Staaten auf ihren Son-
dergebieten zu werden. Je mehr diese ständischen Eigenorganisatio-
nen ausgebaut werden, um so weniger z e n t r a l i s t i s c h und
um so weniger m e c h a n i s t i s c h wird der Staat, wird die ge-
samte Lebensordnung sein. Im s t ä n d i s c h e n E i g e n l e b e n
w i r d d a s L i e b l o s e , S e e l e n l o s e , M e c h a n i s c h e d e s
h e u t i g e n z e n t r a l i s t i s c h e n S t a a t e s ü b e r w u n d e n .
Es entstehen in ihm überall Lebenskreise, die durch Beruf, Sitte,
geistiges und religiöses Leben von persönlichen Beziehungen durch-
flochten sind. (Daher im Mittelalter keine „soziale Frage“.)
Es ist ein Grundirrtum, zu meinen, daß diese Lebenskreise nur
als „wi r t s c h a f t l i c h e I n t e r e s s e n t e n “ auftreten. Sie
streben vielmehr von Natur danach, „Staaten im Staate“ zu werden,
und verhalten sich um so mehr als Glieder desselben, je weniger der
Staat zentralistischer Leviathan bleibt, der alles verschlingt, und je
mehr er selber zum Stande wird, der sich auf seine ihm arteigenen
Aufgaben beschränkt.
Daraus folgt, daß nicht die Demokratie, in der alle das gleiche
zu sagen haben, die natürliche Lebensform des Staates ist, sondern
jene, in der innerhalb verhältnismäßig gleichartiger Lebenskreise
G l e i c h e u n t e r G l e i c h e n bestimmen.
Der Ersatz der Demokratie durch eine korporative Lebensord-
nung schließt keine Unterdrückung des Volkes in sich. Vielmehr ist
das genaue Gegenteil richtig: W a h r e F r e i h e i t u n d g e -
s u n d e V o l k s r e c h t e k ö n n e n n u r i m E i g e n l e b e n
d e r s t ä n d i s c h e n G e b i l d e i h r e S t ä t t e h a b e n ;
während in der Demokratie die Plutokratie und die radikale Dem-
agogie je länger desto mehr zur Herrschaft kommen.