[517/518]
611
Der Pflanzstaat unterliegt allerdings in der Geschichte nicht gleich sehr diesen
Neigungen, er hat nicht überall gleiches Gefüge und gleiche Art. So sagt Ranke:
„Die phönizischen Kolonien hatten mehr ein merkantiles und religiöses Interesse,
das sich nur in Karthago zu einem politischen erweiterte. Aber die Besitznahme
aller benachbarten Küsten durch Kolonien, welche das eigentümliche griechische
Leben nach allen Seiten ausbreiteten, hatten eine politische und nationale Be-
deutung.“’
F .
D i e L e i t u n g s f o r m e n d e s S t a a t e s
Die Leitungsformen des Staates oder die herkömmlich so genann-
ten „Staatsformen“ haben schon Platon und Aristoteles in Monar-
chie (Einzelherrschaft), Aristokratie (Herrschaft Bevorzugter) ein-
geteilt. Demokratie (Volksherrschaft) und deren Entartungen: Des-
potie, Oligarchie, Ochlokratie. — Diesen fügt Platon als siebente
und beste jene hinzu, in welcher der Herrscher „wahrhaft mit Wis-
sen ausgestattet ist“
* * 2
und welche man aus allen übrigen Verfassun-
gen unterscheiden muß „wie einen Gott aus den Menschen“
3
. —
Die neuere Monarchie pflegt man als absolutistisch und konstitutio-
nell zu unterscheiden. Unter Demokratie wird nur die Herrschaft
des Volkes überhaupt verstanden, die aber auch formell in einer
Monarchie möglich ist (England).
An Stelle des Begriffes der Staatsform sollte besser der der Re-
g i e r u n g s f o r m treten, denn es handelt sich bei diesen Eintei-
lungen nur darum, wie die Spitze des Staates aussieht, nicht aber um
sein inneres Gefüge und auch nur zum Teil um die Art der Willens-
bildung.
Die Frage nach dem Werte der Regierungsformen kann nicht bloß
als eine technisch-organisatorische, sie muß weit mehr als eine solche
individualistischer oder universalistischer Staatsauffassung betrach-
tet werden. Sie lautet: in welcher Leitungsform des Staa- / tes wer-
den die wesensgemäßen Kräfte, die Besten in den Sattel gesetzt? —
In der Organisationslehre hat sich ergeben, daß nur die bedeutend-
sten, die besten Kräfte wesensgemäß herrschen; wo eine Organisa-
tionsform vorhanden ist, die die Herrschaft der Besten erschwert,
ja unmöglich macht, droht der Niedergang. Daher ist die volle
’ Leopold von Ranke: Weltgeschichte, 6 Tle, 2 Abteilungen, TI 1: Die
älteste historische Völkergruppe und die Griechen, 4. Aufl., Leipzig 1881, S. 97.
2
Platon: Politikos, 33, 293 D.
3
Platon: Politikos, 41, 303 B.
39’