A c h t e s H a u p t s t ü c k
Die Umgliederung der Gesellschaft durch Ersatz
der Bevölkerung und Erziehung
D i e bisherige Betrachtung der Gesellschaft galt den Formele-
menten und den sachlichen Inhalten, das heißt der Ausgliederungs-
ordnung ohne Rücksicht auf ihre naturhaften Grundlagen.
Außer diesen rein systematischen, allein in der Wesenheit der Ge-
sellschaft an sich gegebenen Erscheinungen sind aber noch solche
vorhanden, die aus ihren naturhaften biologischen Grundlagen, aus
ihrem Leben in der Zeit stammen. Es ist der stete Abgang ihrer
physiologischen Stoffwelt, der biologischen Einheiten, sowie ihr
fortwährender Ersatz durch neue, anders ausgedrückt: Tod und
G e b u r t der Menschen, das Verschwinden neuer Glieder der Ge-
sellschaft, der Träger gesellschaftlicher Inhalte.
In diesem Zusammenhange zeigt es sich, wie wichtig es ist, das Wesen der
Gesellschaft rein in ihrem geistigen und leistungsmäßigen Bestande zu erfassen.
Schäffle hat als Elemente die Personen und das Land bezeichnet
1
. Beide sind
aber in ihrem stofflichen Bestande selbst nicht Elemente, sondern nur Vorbe-
dingungen gesellschaftlicher Vorgänge. Das Land kann nur Mittel für das Han-
deln werden. Die Personen als physiologische sind nur Träger der Empfindungen
und Handlungen, der eigentlichen Glieder der Gesellschaft als eines objektiven
Geistes. Der Abgang, das Verschwinden dieser Glieder ist daher allein der gesell-
schaftliche Vorgang dabei. Ein b i o l o g i s c h e r Vorgang hingegen ist es, der
den Tod der Personen, der Organismen bedingt, welche Träger der gesellschaft-
lichen Elemente sind.
Daraus ergibt sich: daß die V o r g ä n g e d e s E r s a t z e s g e s e l l -
s c h a f t l i c h e r E l e m e n t e n i c h t i m W e s e n d e r G e s e l l s c h a f t
s e l b s t l i e g e n . D e n n n i c h t i m G l i e d e r b a u d e r g e s e l l -
s c h a f t l i c h e n G e i s t e s w e l t , n i c h t i n d e n E m p f i n d u n g e n
u n d H a n d l u n g e n l i e g t d e r G r u n d f ü r d i e E r s a t z v o r g ä n -
g e, sondern darin, daß Empfindungen und Handlungen in ihrer Existenz an
organische Materie in ihrer Vergänglichkeit gebunden sind. Daher nehmen die
reinen Ersatzvorgänge eine völlige Sonderstellung gegenüber den bisher betrach-
1
Albert Schäffle: Bau und Leben des sozialen Körpers, Bd I: Allgemeine
Soziologie, 2
.
Aufl., Tübingen 1896, S. 26 ff.