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geregelte) Stoff dieses Systems wirtschaftlicher Art ist (Wirtschaftsrecht), ob dem
Familienleben angehörig (Familienrecht), ob dem wissenschaftlichen Leben
(Rechtsverhältnis der Hochschulen und Akademien), ob dem staatlichen Leben
(Staatsrecht), ist für das Recht ganz gleichgültig. Es gilt daher wieder: Wirt-
schaft muß sich in Recht verwandeln, Wissenschaft muß sich in Recht verwan-
deln, Staat muß sich in Recht verwandeln, um mit dem Recht in „Beziehung“ zu
treten. (Hieraus ist der Irrtum der neukantischen Rechtsschule ersichtlich, die
nicht zugeben will, daß es viele Teilganze der Gesellschaft gibt, weshalb zum
Beispiel Stammler alles in Recht [Form und Stoff] auflösen will).
Nun noch ein letztes Beispiel, die Wissenschaft. Vom Standpunkte der Wis-
senschaft aus erscheint das Recht als ein logisches Gebäude von Begriffen; die
Wirtschaft gleichfalls als ein logisches Gebäude von Rangordnung der Mittel,
wie zum Beispiel besonders die doppelte Buchhaltung als ein klarer Ausdruck
solcher reiner Logik bestimmbar ist; der Staat ebenso als ein logisches Gebäude
jener Begriffe, welche die „Konsequenz“, „Widerspruchslosigkeit“, „Einheit“ des
staatlich-organisatorischen Handelns bestimmen.
Welche Beispiele man auch wähle, wie man das Verhältnis des
einen Teilganzen zu den andern Teilganzen auch darstelle, immer
wird man zu dem Ergebnis kommen: daß das f r a g l i c h e
T e i l g a n z e e n t w e d e r a l l e
a n d e r n
E r s c h e i -
n u n g e n d e r G e s e l l s c h a f t
s i c h s e l b s t z u m
G l i e d e m a c h t ; o d e r d a ß i h m d i e a n d e r n E r -
s c h e i n u n g e n s c h l e c h t h i n a l s T r ä g e r d e s G e -
s a m t g a n z e n e r s c h e i n e n .
Die über das Teilganze gewonnene Einsicht kann nun wieder rückschauend auf
den Einzelnen angewendet werden. In dem Sinne, wie wir oben den Einzelnen
„Mikroorganismus“ nannten, verhält er sich genau als ein Teilganzes. Die innere
Einheit und reine Wechselseitigkeit, die darin zum Ausdrucke kommt, daß alle
Teilganzen sich in das jeweils betrachtete verwandeln, kommt notwendig auch
in dem Verhältnis des E i n z e l n e n zum Ganzen zum Ausdruck: Der E i n -
z e l n e i s t n i c h t n u r O r g a n d e s S t a a t e s , a u c h d e r S t a a t
i s t O r g a n d e s E i n z e l n e n , der Einzelne ist Staatsbürger (Organ des
Staates), der Staat ist wieder zum Beispiel als Sicherheitsspender Mittel (Organ
des Einzelnen). — Dieser Satz, der hier nicht näher erörtert werden kann, zeugt
an seinem Orte von denselben Eigenschaften der Ganzheit wie das ausführlich
behandelte Verhältnis des Teilganzen untereinander.
Durch die aufgezeigte „Verhältnislosigkeit“, „Beziehungslosig-
keit“ oder „Unberührbarkeit“ der Teilganzen untereinander ist ein
grundlegender Unterschied des Verfahrens der Gesellschaftswissen-
schaften gegenüber den Naturwissenschaften ans Licht gebracht.
Unser Ergebnis, daß das Teilganze nur als Glied in Erscheinung
tritt und daß niemals zwei Teilganze einander unmittelbar gegen-
überzutreten vermögen, möchte ich als eines der wichtigsten Ergeb-
nisse des ganzen Buches betrachten. In methodologischer Hinsicht