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Und um auch den geistigen Bereich der Gesellschaft nicht ganz unberührt
zu lassen, noch folgende Beispiele: Die Teilganzen „Wissenschaft“, „Kunst“,
„Religion“ sind Glieder des Gesamtganzen in ihrer Eigenschaft als bestimmte
Ordnungsweisen der geistigen Inhalte der Gesellschaft (die Wissenschaft als
„logische“ Ordnungsweise, die Kunst als ästhetische Ordnungsweise, Religion-
Philosophie als metaphysische Ordnungsweise), wodurch alles übrige des Ge-
samtganzen als das Nicht-Geistige (wenigstens nicht unmittelbar Geistige) ihnen
gegenübersteht.
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Was lehren alle diese Beispiele? „Wissenschaft“ zeigt sich als eine ganz be-
stimmte Art der Verrichtung oder G l i e d h a f t i g k e i t eines Geistigen in
der geistigen Ganzheit (das ist der geistigen Gesamt-Gemeinschaft, welche in der
„Gesellschaft“ beschlossen liegt). Und ferner zeigen sich „Recht“, „Staat“, „Wirt-
schaft“ als eine bestimmte G l i e d l i c h k e i t in der handelnden Gesamtganz-
heit, welche in der menschlichen Gesellschaft beschlossen ist. Nur durch diese
Gliedeigenschaft, Gliedhaftigkeit allein erscheint jedes Teilganze definiert, und
die Gliedeigenschaft wieder durch die Verrichtung im Ganzen. Gliedhaftigkeit
und Verrichtsamkeit sind gleichbedeutend.
II. Das Verhältnis des Teilganzen zum Teilganzen
(Zuartung und Verganzung)
Fassen wir nun das Verhältnis der Teilganzen untereinander ins
Auge, also der Wirtschaft zum Staat, der Wirtschaft zum Recht, der
Kunst zur Wissenschaft und so weiter, dann ergibt sich diejenige
Einsicht, welche ich als das wichtigste Ergebnis dieser Untersuchung
bezeichnen möchte: Das Verhältnis der Teilganzen untereinander
ist niemals unmittelbar ein solches vom Teil zum Teil; sondern es
wird entweder der andere Teil selber zum Glied des ersten, oder es
tritt ein Verhältnis vom Teil zum Ganzen ein. Kurz ausgedrückt:
Das V e r h ä l t n i s d e r T e i l g a n z e n u n t e r e i n a n -
d e r i s t n i e m a l s e i n u n m i t t e l b a r e s , s o n d e r n
n i m m t i m m e r d e n U m w e g ü b e r d i e G a n z h e i t .
Das klingt überraschend, aber bei näherem Zusehen findet man,
daß es gar nicht anders sein kann. Wird diese Einsicht nach ihrer
Bedeutung gewürdigt, so lösen sich mancherlei sonst nicht zu klä-
rende Schwierigkeiten der Gesellschaftslehre.
Zuerst machen wir uns dieselbe Tatsache wieder am menschlichen Organismus
klar. Für das Blut existieren die Muskeln nur als Gefäßwände, gleichsam als
Blutkammern, als Gebiet für den Blutumlauf, als Stätte des Blutverbrauches oder
der Bluternährung, als mit Blut zu Erfüllendes usw. — also immer als Feld für
die Blutfunktion. — Für die Nerven wieder sind die Muskeln nur da als ein zu
Kontrahierendes, als ein die Empfindung Vermittelndes — also immer als Nerven-
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