Previous Page  313 / 389 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 313 / 389 Next Page
Page Background

[220/221]

313

finden, daß sie sich „auf bloß logischem Wege“ gewinnen lasse. Die

Entgegensetzung (das „negative Moment“ Hegels) würde in Wahr-

heit stets „durch eine vorgreifende, sich zwischenschiebende An-

schauung gewonnen“

1

.

Meiner Meinung nach sind aber Trendelenburg und die alten

Hegelianer darin nicht im Rechte, daß sie den dialektischen Gegen-

satz zu einem „konträren“ machen. Die Unterscheidung von „kon-

trär“ und „kontradiktorisch“ ist unseres Ermessens überhaupt un-

zulänglich! Die U n t e r s c h e i d u n g d e s G e g e n s a t z e s

a l s

„ k o n t r ä r “

u n d

„ k o n t r a d i k t o r i s c h “

h a t

n u r f o r m a l - l o g i s c h e i n e n S i n n , wie Hegel richtig

hervorhob und z. B. Rosenkranz auch wiederholte

2

. Für die onto-

logische Logik, also die Dialektik, gibt es jene Unterscheidung nicht,

für sie gibt es nur den W i d e r s p r u c h . Da nun dieser grund-

sätzlich ein Non-A ist (man denke an Fichtes Anfang der Wissen-

schaftslehre), so kann er, wenn man die formelle — (Hegel sagte

„abstrakte“) — Namengebung gebrauchte, nur ein „ k o n t r a -

d i k t o r i s c h e r “ s e i n . Er ist es aber darum doch wieder /

nicht, weil die Dialektik — als eine ontologische und nicht formell-

syllogistische Logik — am Grunde der Gegensätze die I d e n t i -

t ä t des sich Setzenden, der absoluten Idee, die durch alles hin-

durchgeht, aufrecht erhält. Darauf muß immer wieder der größte

Nachdruck gelegt werden.

Es scheint mir damit bewiesen, daß Trendelenburg mit seiner

Frage „kontradiktorisch oder konträr?“ die Aufgabe, das Wesen

des dialektischen Widerspruches zu bestimmen, auf ein Neben-

geleise geschoben hat. Es handelt sich nicht um die „konträre“ oder

„kontradiktorische“ Art des Gegensatzes, es handelt sich zuletzt

auch nicht einmal um das Gelingen der Abteilungen im einzelnen,

es handelt sich vielmehr, wie immer wieder zu sagen ist, um die sy-

stemgestaltende Bedeutung des dialektischen Gegensatzes. Daß der

1

Friedrich Adolph Trendelenburg: Logische Untersuchungen (1840), 3. Aufl.,

Leipzig 1870, S. 47.

2

Carl Rosenkranz: Erläuterungen zu Hegel’s Encyklopädie der philosophischen

Wissenschaften, Berlin 1870, S. 10 ff. — Georg Friedrich Wilhelm Hegel: Ency-

klopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, § 79 ff.; Wissen-

schaft der Logik, I. Teil, 2. Abteilung; Sämtliche Werke, Bd 4, S. 27 ff., 67

und öfters.