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die Ideen den Dingen „Sein und Erkennbarkeit“ verliehen wird.
In welchem Sinne immer die Ideen als den Dingen durchaus „jen-
seitig“ (transzendent) / oder doch auch irgendwie „einwohnend“
(immanent) gedacht werden, daran kann kein Zweifel bestehen, daß
sie die schöpferischen Erstigkeiten (Prinzipien) sind, welche den Din-
gen vorstehen. — (3) Da Platon kein Baugerüst des Begriffsgebäu-
des hinterließ, wissen wir nicht, mit welchem f o r m e l l e n A n -
f a n g s b e g r i f f e er den Aufbau begonnen hat (oder hätte).
Doch lassen verschiedene Andeutungen, namentlich die im Sophi-
stes niedergelegten, vermuten, daß das Verfahren der Begriffsschei-
dung (ÖiaioEffiq) das Platon selbst D i a l e k t i k nannte
1
, dabei eine
entscheidende Rolle spielt, und daß die L e h r e v o m S e i n
u n d d e s s e n U r k a t e g o r i e n — n a m e n t l i c h R u h e
u n d B e w e g u n g , S e 1 b g 1 e i c h h e i t u n d
A n d e r h e i t
— m i t a m B e g i n n e s t a n d . In gleiche Richtung deutet der
Philebos mit seinen ontologisch-kategorialen Unterscheidungen
(aneipov—
icEQag
). Darnach würde die Kategorienlehre des ideenhaf-
ten Seins, oder eine zu ihr hinführende Analyse, das System er-
öffnen.
Ein ähnliches Bild zeigt A r i s t o t e l e s . Auch bei ihm finden
wir: (1) Gott als den sich selbst Denkenden, demnach als Geist; und
ferner als den absolut Wirklichen (Actus purus). Die Bestimmung
Gottes als absoluten Geist ist daher keine Gewaltsamkeit. — Wir
finden (2) die der Ideenwelt entsprechende Formenwelt als Inbegriff
von Vermittlungen. Denn indem Gott sich selbst denkt, schafft er
die Welt. Diese Auffassung der Aristotelischen Lehre ist allerdings
bestritten, jedoch scheint sie mir Franz Brentano als die allein mög-
liche und richtige unwiderleglich nachgewiesen zu haben
2
. (3) Für
die Anfangsbegriffe gilt wohl dasselbe wie bei Platon.
Mit aller Deutlichkeit zeigt sich aber jene dreifache Unterschei-
dung erst bei dem formell geschlossensten Begriffsgebäude der Ge-
schichte der Philosophie, bei jenem H e g e l s . (1) Der absolute
Geist oder Gott ist der innerste Begriff des Systems. Er bleibt so gut
wie unerörtert, da er in sich das Unvermittelte ist, um das es Hegel
nicht zu tun war. — (2) Die Vermittlungen sind durch die dialek-
1
Platon: Sophistes, p. 253 b ff., p. 259 c ff. und öfters.
2
Franz Brentano: Aristoteles, Leipzig 1911, S. 75 ff.