310
[218/219]
Zwar drängen sich sogleich mancherlei Fragen auf, wenn man
das dialektische Verfahren als Darstellungsweise der Vermittlungen
des Absoluten begreift — am lebhaftesten vielleicht die Frage des
P a n t h e i s m u s (die aber die Hegelische Rechte dadurch ab-
wehrte, daß sie Gott als das in sich selbst Unmittelbare und Abso-
lute bezeichnete, die dialektischen Setzungsschritte daher nur als die
Vermittlungen nach der weltlichen Seite hin faßte). Sehen wir aber
hievon, wie von allem andern ab, so tritt das Wesentliche, die sy-
stemgestaltende Bedeutung des dialektischen Verfahrens, ungetrübt
hervor. Von d i e s e r s e i n e r B e d e u t u n g a u s w i l l u n d
d a r f e s a l l e i n b e u r t e i l t w e r d e n .
Begreift man die Dialektik als den Gang der Vermittlungen des
Absoluten zum Endlichen, dann leuchtet ein, daß durch diesen
Gang der Begriffsaufbau, die S y s t e m g e s t a l t der Philosophie
unmittelbar bestimmt ist; und daß dieser durchgreifenden Bedeu-
tung gegenüber einzelne Mängel des dialektischen Verfahrens in den
Hintergrund treten.
Da ist zunächst der Mangel einer bloß schematischen, fast me-
chanisierenden Handhabung des Verfahrens, indem man (nament-
lich auch in den einzelwissenschaftlichen Untersuchungen früherer
Hegelschüler, aber auch Hegels selbst) flugs eine Gegensetzung
(Antithesis) und Ineinssetzung (Synthesis) bei der Hand hat. Dieser
Mangel besteht, ist aber ein äußerlicher. Denn das Wesentliche der
Dialektik ist durchaus nicht ihre Brauchbarkeit zu empirischen Ent-
würfen. Das tiefere Rätsel des dialektischen Verfahrens ist also
nicht: Eine mehr oder weniger mechanisch verstandene A u f -
s p a l t u n g der je- / weiligen Setzungen — zuerst des bestim-
mungslosen „Seins“ — durchzuführen, welche durch Widersprüche
immer wieder hindurchgetrieben werden. (Es muß allerdings zuge-
geben werden, daß diese „Aufspaltung“ oft schematisch und inso-
fern unzulänglich und fehlerhaft gehandhabt wurde.) Die entschei-
dende Frage ist auch nicht, ob das dialektische Verfahren als a b -
l e i t e n d - e n t w e r f e n d e r
G r u n d s a t z inhaltlich ver-
sagte. Sondern entscheidend ist zuletzt nur: wie es samt seinen
Fehlern und Vorzügen seine Aufgabe, einen Aufbau der Vermitt-
lungen zwischen dem Überendlichen und dem Endlichen herzustel-
len, grundsätzlich zu erfüllen vermag, wie es damit seine sy-
s t e m b i l d e n d e K r a f t bewähre?