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mantiker die Deutschen, Yânavalkya und Kalidasa die alten Inder
auf eine höhere Ebene emporhoben. Sollte dann das Erscheinen
Christi, der in jenseitige Hintergründe zurückreichte wie keiner und
von sich sagte „ich und der Vater sind eins“, sollte es nicht ungleich
mehr bedeuten und der ganzen Menschheit eine höhere mystische
Weihe geben können?
Indem wir zuvor auf die menschliche Selbsttätigkeit neben Christi
Wirken hinwiesen, unterschieden wir einen subjektiven und einen
objektiven Faktor der Erlösung. Damit wird nun auch der Unter-
schied des christlichen Erlösungsbegriffes von jenem der / b r a h -
m a n i s c h e n Mystik klar. Diese hat wohl gleich dem Christen-
tum allen Naturalismus überwunden, indem ihr die reine Er-
k e n n t n i s , die Einsicht in die religiös-metaphysischen Wahr-
heiten
1
das Mittel der Erlösung wird. Aber damit steuert sie auch,
so groß diese Wahrheit ist, da Erkenntnis das Wesen umwandelt,
mehr oder weniger ernsthaft der S e l b s t e r l ö s u n g des Men-
schen durch mystische Übungen, der Versenkung zu. Ähnlich der
Buddhismus. Dabei wird allerdings in Wahrheit doch immer gött-
liche Hilfe und Vermittlung — zum Beispiel durch Indra oder
Buddha als Vermittler und Lehrer — eingeschaltet
1
. Das Christen-
tum hingegen stellt die beiden Faktoren, den objektiven und den
subjektiven, von Anbeginn klar nebeneinander. Es stellt wohl die
objektive Tat Christi voran, bezeichnet aber die subjektive Selbst-
tätigkeit des Menschen zur Aneignung der dargebotenen Frucht als
unerläßlich. „Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um
Gnade“
2
. („Fülle“ — objektiv, „nehmen“ — subjektiv.) Denn des
Menschen Tätigkeit ist nicht völlig ursprünglich, sie ist geistiges
„Schaffen aus Geschaffenwerden“, das heißt sein eigenes Schaffen,
hier die Anstrengung zur W i e d e r h e r s t e l l u n g seines ur-
sprünglichen Wesens, muß einsetzen, um das „Geschaffenwerden“,
das heißt die göttlichen Einflüsse, aufzunehmen. Dem christlichen
Erlösungsbegriff nahe kommt der Z a r a t h u s t r a s . Der objek-
tive Teil waltet hier vor, er ist Sache des lichten Gottes selbst, der
subjektive nimmt die Form der Gottesstreiterschaft an, wodurch das
ganze Leben des Menschen in ein mystisches Licht getaucht wird. (An
1
Siehe oben S. 112.
2
Johannes 1, 16.
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