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dern auch ordnend und vergleichend“
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könnte methodologisch nur
dann als widerspruchsfrei gelten, wenn das „Ordnen und Verglei-
chen“: e n t w e d e r eine Vorstufe für die mechanischen Geset-
zesbegriffe nach Art der Physik darstellt (das heißt nach Art der
Laplaceschen Weltformel, der das Newtonsche Gesetz als Ideal vor-
schwebt und die auch die Gesellschaft umfassen soll); denn dann
wären die „ordnenden“ Begriffe, etwa als „klassifikatorische“ Be-
griffe, solche, die noch nicht von jener Allgemeinheit und Strenge
sind wie die echten Gesetzesbegriffe der Physik
15
; o d e r das
„Ordnen und Vergleichen“ wäre selbst schon eine besondere Form,
eine Vorstufe des Verstehens eines sinnvollen Zusammenhanges,
wie er z. B. zwischen den Bestandteilen einer Schlußkette besteht
oder wie er in dem Verhältnisse Ganzes — Glied besteht; dann wäre
es auch selbst geisteswissenschaftlicher Art und die Einheit des
Verfahrens in der Soziologie wäre wieder gewahrt.
Hätte von Wiese eine dieser beiden Auffassungsweisen seiner So-
ziologie zugrunde gelegt, dann wäre allerdings nur ein Verfahren
angewendet worden. Das tut er aber nicht, sondern gebraucht beide
Verfahren in ihrer Gegensätzlichkeit und will eine Mischung, die
unvollziehbar ist, die unvereinbare Gesetzesbegriffe anwendet. Diesen
Mangel an reinlicher Scheidung zweier unvereinbarer Verfahren
findet man meines Erachtens auch schon in seiner „Beziehungs-
lehre“
16
.
Der zweite Einwand von Wieses lautet: Es sei nicht richtig, daß
sein Beziehungsbegriff Atome voraussetze, die schon vor der
Beziehung wirklich (schon vorher fertig, vorhanden) wären, und die
erst nachträglich aufeinander sich bezögen. „Gerade das Umge-
kehrte“, sagt von Wiese, „ist. . . der Grundgedanke der Beziehungs-
lehre: Nach ihr bestehen von Anfang an zahllose Wechselbeziehungen
zwischen den Teilen, von denen keines ohne das andere gedacht wer-
14
Verhandlungen, S. 127.
15
Dies haben Windelband (vgl. Geschichte und Naturwissenschaft, S. 146) und Heinrich
Rickert (in: Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Eine logische Einlei-
tung in die historischen Wissenschaften, 3. Aufl., Tübingen 1921) von ihrem Standpunkte
aus eingehend dargelegt.
16
Leopold von Wiese: Allgemeine Soziologie als Lehre von den Beziehungen und
Beziehungsgebilden der Menschen, München 1924, S. 19 ff.