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Eine andere grundlegende Folgerung aus dem ganzheitlichen Be-
griffe des Geistes und der Gesellschaft als des Gegenstandes der Sozio-
logie ist diese: Der Universalismus allein vermag zuletzt auch das Indi-
viduum zu retten. Denn das Ganze besteht nicht aus homogenen,
noch aus toten Stücken, sondern aus Gliedern, die ihrem Begriffe
nach alle unwiederholbar und einzig, die alle „individuell“ sind, und
die ferner selber wieder Ganze sind, darum in ihrer Art ein Eigen-
leben, eine vita propria haben.
Ein anderer und entscheidender Erfolg der ganzheitlichen Auf-
fassung ist ferner damit gegeben, daß die Ganzheit als systematische
gefaßt den A l l g e m e i n b e g r i f f ergibt, da jede Ganzheit im
System ihrer höheren und niederen Ganzheiten bestimmbar ist; daß
sie aber, in ihrer Entfaltung, Bewegung oder Umgliederung erfaßt,
eine G e s c h i c h t e hat, also die geschichtliche Erkenntnis erfor-
dert.
Hiermit ist nicht nur die logisch-methodologische Vereinbarkeit
von Geschichte und Theorie, sondern noch mehr: die tatsächliche
l o g i s c h e E i n h e i t v o n g e s c h i c h t l i c h e r u n d
t h e o r e t i s c h e r B e g r i f f s b i l d u n g gewonnen, jene Einheit,
die sowohl der Windelband-Rickertischen Logik, wie auch dem
praktischen Forschungsgang der geschichtlichen Schulen in der
Volkswirtschaftslehre (Roscher, Schmoller) unerreichbar war. Das
u n i v e r s a l i s t i s c h e
V e r f a h r e n
a l l e i n
k a n n
s o w o h l
e c h t
t h e o r e t i s c h
w i e
e c h t
g e s c h i c h t l i c h s e i n , j a e s m u ß n o t w e n d i g
b e i d e s z u g l e i c h s e i n . Denn jede Ganzheit ist als das
b e s t i m m t e
Glied
seiner
bestimmten
höhe-
ren Ganzheit individuell, unwiederholbar, einzigartig und als Glied
eines s y s t e m a t i s c h e n Ganzen dennoch typisch, dennoch
theoretisch zu erfassen
9
.
Wird die ganzheitliche Auffassung durchgeführt, dann sieht auch
die Geschichte der Soziologie anders aus, als man bisher glaubte.
Nicht mehr mit Comte, Spencer, Schäffle beginnt die Soziologie,
nicht mehr in der Aufklärungs- und Naturrechtsphilosophie hat sie
9
Die hier angedeuteten Gedankengänge habe ich mittlerweile ausgeführt in dem Bei-
trag: Über die Einheit von Theorie und Geschichte, in: Aus Politik und Geschichte,
Gedächtnisschrift für Georg von Below, Berlin 1928 (jetzt: Bd 7, S. 203 ff.).