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Grundsätzlich das Gleiche findet auf den Beziehungsbegriff von
Wieses Anwendung: das sich Beziehende ist ja immer schon vorher
(vor dem „Sich-Beziehen“ auf anderes) da; es ist schon vorher
wirklich (und in d i e s e m Sinne doch unleugbar auch vorher
„fertig“); denn es setzt ja von sich aus durch die „Beziehung“ zum
anderen erst die „Verbände“. Die „ V e r b ä n d e “ l e i t e n s i c h
d a n a c h
e i n z i g
u n d
a l l e i n
d u r c h
Z u s a m m e n s e t z u n g a u s d e m s i c h B e z i e h e n d e n
( = s i c h Z u s a m m e n - S e t z e n d e n ) a b . Dies ist der Grund,
warum ich es ab-lehnen muß, jeden Beziehungsbegriff, jenen von Wieses
ebenso wieetwa den früheren Simmels (auf dem vonWiese fußt), als einen
gelungenen Versuch anzusehen, der den Atombegriff für die Geistes-
wissenschaften brauchbar machen könnte.
Und nun die aufbauende Seite der Sache. Wenn von Wiese mit
dem „nicht fertig sein“ vor der Beziehung w i r k l i c h E r n s t
m a c h t e (was er in der Sachforschung nicht tut, noch tun kann!),
was wäre die notwendige Folge davon? Er müßte zum Begriffe der
gegenseitigen Bedingtheit der Teile kommen, und zwar im ontologi-
schen Sinne; das heißt aber nichts weniger als: zu dem Begriffe des
gegenseitigen Aneinander-Werdens. Wenn die Teile nicht vor der
sogenannten Beziehung real (fertig) sind, dann w e r d e n sie erst
in ihr. Werden sie aber erst in ihr, d a n n i s t d i e
„ B e z i e h u n g “ v e r s c h w u n d e n u n d d i e S e i n
g e b e n d e
G e g e n s e i t i g k e i t
a n
i h r e
S t e l l e
g e t r e t e n .
Es
i s t
nun
nichts
mehr da, was sich aufeinander „beziehen“ könnte (aufeinander
kausal stoßen, „wirken“ könnte); es sind nur noch Wirklichkeiten
da, die ohne die anderen nicht bestehen, die in diesem Sinne von-
einander das Sein empfangen — also b e i d e Teile, Glieder einer
Ganzheit sind! Gliedhaftigkeit, nicht „Beziehung“ oder „Wirkung“
(Wechselwirkung) bezeichnet ihre Natur, ihren Lebens- und Werde-
gang. — Will von Wiese diese ontologische Gegenseitigkeit dennoch
„Beziehung“ nennen, so stiftet das terminologische Verwirrung, da
in der Geschichte der Logik der Relationsbegriff stets den Gegen-
satz zum Substanzbegriff („Substanz“ im Aristotelischen Sinne)
bildete und d a h e r a t o m i s t i s c h e B e d e u t u n g h a t .
Immerhin möge es ihm freistehen. Nur das Eine ist dann unerläßlich,
nur auf dem Einen muß dann ernsthaft bestanden werden: daß für