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Vorwurfe gegen mich finden. Nur weil Adler den Kausalbegriff
amplifiziert (durch Einbeziehung des Physiologischen und Psycho-
logischen), erscheint ihm meine Ansicht als Simplifizierung
51 52
.
Das Wesentliche ist und bleibt die nicht-sinnvolle Auffassung
der Abfolge, w o m i t d i e E r f a ß b a r k e i t n a c h ä u ß e -
r e n M e n g e n , d a s i s t d u r c h Z a h l e n u n d d a m i t
m a t h e m a t i s c h g e g e b e n i s t . Die mathematische Physik
ist das Vorbild aller ursächlichen Wissenschaft
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. Es geht darum
auch nicht an, den Ursächlichkeitsbegriff an so primitiven Beispielen
zu erörtern, wie es Adler tut. Man muß s i c h a n d i e a u s -
g e b i l d e t e n K a u s a 1 a u f f a s s u n g e n d e r W i s s e n -
s c h a f t e n h a l t e n . Eine Untersuchung der Begriffe der mathe-
matischen Physik kann uns darum das verfahrenmäßig Wesentliche
des Ursächlichkeitsbegriffes am klarsten zeigen.
Auf sehr lehrreiche und klare Weise hat dies K a r l F a i g l in dem ange-
führten Buche „Ganzheit und Zahl“ dargestellt. Faigl unterscheidet das ganz-
heitliche Geschehen (Organismus, Seele, Gesellschaft) vom mechanischen Ge-
schehen, das er „Geschehen im Schnittsysteme“ nennt. Unter Geschehen im
Schnittsysteme versteht er, daß der ganze spätere Ablauf eines Geschehens
durch jene Anfangszustände (mathematische Größen) bestimmt ist, die in dem
Augenblicke eines „Schnittes“ durch den Vorgang gewonnen werden. Hat man
in einem mechanischen Systeme die Anfangszustände und die Randwerte mit-
telst einer mathematischen Formel erfaßt und eingesetzt, so kann man „weiter-
rechnen“ (ähnlich wie in der Laplaceschen „Weltformel“), man kann den spä-
teren Ablauf vorausbestimmen (Comtes: „voir pour prévoir“!). — Karl Faigl
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Vgl. unten S. 138.
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Nochmals sei darum an das Folgende erinnert: Innerhalb des mechanischen Ursäch-
lichkeitsbegriffes gibt es freilich wieder manche abweichende Sonderauffassungen und
-fragen, z.B.: ob die Abfolge von b auf a „objektive Notwendigkeit“ habe oder nur auf
„Erwartung“, „Gewohnheit“ gründe (Hume); oder ob eine solche Notwendigkeit darauf
beruht, daß sie ein „Stammbegriff unseres Verstandes“ sei (Kant) und dergleichen mehr,
worüber man bei Wentscher oder in den Quellen nachlesen kann. Auch muß das „Mecha-
nische“ dieser Abfolge nicht gerade nach dem Modell von Druck und Stoß zweier Billard-
kugeln (das im eigentlichsten Sinne mechanische Modell, das zum reinen Atomismus führt)
aufgefaßt werden; es kann auch ohne ein solches Modell gedacht werden. Beispiel: Mach,
Jaumann, Lohr (vgl. Erwin Lohr: Atomismus und Kontinuitätstheorie in der neuzeitlichen
Physik, Leipzig 1926).
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Vgl. dazu Else Wentscher: Geschichte, besonders den Abschnitt „Die prinzipiellen
Grundlagen in der Entwicklung der Naturwissenschaft“, S. 114 ff.