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glieder mit dem Obersten, der Krieger nicht mit dem Feldherrn, der
Bürger nicht mit dem König. Sondern die Zwischenstufen übernehmen
jeweils die Vermittlung“ (Bd 9, 169).
Aus diesen wesentlichsten Kategorien der Ausgliederung ergibt
sich das systematische Schema eines ganzheitlichen Gliederbaues.
Es ist gleichsam das statische Bild, welches das innere Verhältnis
der Ganzheit zu ihren Gliedern wiedergibt. Doch Ganzheit ist als
eine lebendige nichts Statisches, sondern Dynamik, Leben begrün-
dende und erhaltende Ausgliederung. Dieses Leben und die von ihm
hervorgerufene Veränderung ist erst möglich durch die Umgliederung.
B. U m g l i e d e r u n g
Die Weise der Entsprechung macht verständlich, daß die Änderung
einzelner Glieder die Veränderung anderer Glieder zur Folge haben
muß, daß dieser Prozeß aber immer den Weg ü b e r d i e G a n z -
h e i t nimmt. Umgliederung ist daher nicht mechanische Umwand-
lung, sondern in Wahrheit ,,R ü c k n a h m e u n d W i e d e r a u s -
g l i e d e r u n g“.
Jede Veränderung ist nur über die ganzheitliche Mitte möglich.
Denn aus ihr sprießt alles Leben, und Leben ist ständige Umgliede-
rung: Rücknahme und Neuausgliederung — „Stirb und werde“. Ins
Metaphysische wird dieser Gedanke durch die Upanishaden erhoben:
„In dem (nämlich in: Prajapati) die Welt zergeht und sich entfaltet“
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.
Dieses „Sterben“, dieses „Zergehen“ ist der Jungbrunnen des Lebens
und der gesamten Schöpfung. „Die Reduktion und Reintegration
eines Wesens in seinem Prinzip“, sagt Franz von Baader, „hießen die
alten Chemiker die Verjüngung, weil jung ist, was seinem Ursprunge
nahe steht, und alt, was von ihm entfernt ist. Diese Verjüngung eines
Wesens ist somit als eine Herausführung (Befreiung) von seiner
Zeitbindung (Materialität) zu begreifen, weil eigentlich mit seinem
Eintritt in die Zeit sein Altern begann . . ., weshalb die Begriffe der
Jugend, der Unsterblichkeit und der Integrität des Seins ineinander-
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Paul Deussen: Sechzig Upanishad’s des Veda, 3. Aufl., Leipzig 1921, S. 243 und 302.