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als „der Urgedanken aller Religionen“, den Nachweis der gleichen
Urquellen — Mystik, Magie und Offenbarung — für alle Religionen
als eine Relativierung des Christentums betrachtet, geht man jedoch
zu weit und übersieht das Entscheidende: Hier wird Ernst gemacht
mit dem Gedanken, daß die Wahrheit der Religionen durch andere
Religionen nicht so sehr widerlegt als vielmehr überhöht werde.
Dieser Begriff der Überhöhung überwindet somit die Relativierung,
ja die in der Religionsphilosophie Spanns erstmals entwickelte
Morphologie der Religion enthält geradezu den Schlüssel dazu.
Vermöge seines kategorialen Rüstzeuges kommt Spann zu dem
Ergebnis: „Je gründlicher man andere Religionen studiert und ihre
Verfinsterung durch Verstrickung im Naturhaften erkennt, umso
heller strahlt das Licht des Christentums. Schon bei seinem Auf-
treten unterscheidet es sich von allen bisherigen Religionen durch
die weltgeschichtliche Wendung, die es anbahnt. An keine Religion
knüpft sich ein entfernt ähnlicher Umschwung wie an die christ-
liche“ (Bd 16, 333).
Wenn man so den Weg Spanns nachgewandert, wenn man das
Große — bei aller Bescheidenheit, mit der er seine Aufgabe, nämlich
die Zugänge zur Religion durch Rückgang auf ihre ewigen Quellen
freizulegen, umreißt — in gespannter Sammlung nachgedacht hat,
was das Werk vorführt, kann man sich dem Urteile des führenden
Schelling-Forschers Manfred Schröter anschließen, wenn er an
Spann schreibt: „Hier ist erfüllt — zum ersten Mal in der Welt! —
was Schellings ,Philosophie der Mythologie' versprach, aber noch
nicht vermochte — die Gesamtheit der Religion aus letzter meta-
physischer Tiefe gedeutet, wie es nur dem Geiste gelingen konnte,
der ebenso tief religiös wie metaphysisch veranlagt und begnadet
war. Es ist das Buch, das ich von Jugend auf ersehnte (seit Deussens
,Geschichte', dessen Einseitigkeit ich damals schon empfand), um
das ja alle meine Schelling-Studien kreisen — und nun habe ich’s
aus Ihrer Hand, aus Ihrem Geiste gestaltet — ganz gewiß bin ich
Ihr beglücktester Leser“.
Das religionsphilosophische Werk Spanns zeigt große Ähnlichkeit
auch mit jenem des bedeutenden deutschen Philosophen Leopold
Ziegler. Zieglers Werk ringt ebenfalls um die Aufhebung der dialek-
tischen Gegenüberstellung des Christentums und der nichtchrist-