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sich gut. Er wollte von mir Einsicht in die katholische Lehre und ich war sein
begeisterter Schüler in Soziologie und in der Wirtschaftswissenschaft. Wir haben
das auch offen ausgesprochen. Als ich mein Theologiedoktorat abgeschlossen
hatte und endgültig zu den Staatswissenschaften übersiedelte, gab er mir —
voll bewußt, daß er einen Theologen vor sich hatte — das Dissertationsthema
,Versuch einer Lohntheorie nach Thomas von Aquin'. Ein Thema, wo der
Theologe zum Wirtschafter werden mußte. Als ich dann . . . auch in den Staats-
wissenschaften promoviert hatte, hat Professor Spann mir sein eben in 15. Auf-
lage erschienenes Büchlein gewidmet ,Die Haupttheorien der Volkswirtschafts-
lehre' und hat in das Widmungsexemplar hineingeschrieben: ,Auch in der Wirt-
schaft muß der Geist des Lebens sich treu bleiben. Auch Wirtschaft muß daher
dienen, selber Geist werden. Zum Andenken an fruchtbare Lehrjahre mit herz-
lichen Grüßen gewidmet, Othmar Spann*. Als ich dann nach Ostern 1924 wieder
in Kärnten war, habe ich Spann zweimal her zu uns gebeten zu Vorträgen in
unserer Leo-Gesellschaft und beide Male war der Spann-Abend ... für Hunderte
hier in Kärnten ein unvergeßliches Erlebnis. Nicht übersehen möchte ich, wie
Spann mit Seipel ins Gespräch kam. Ich hatte mit den Männern um das ,Neue
Reich' eine ganz ernste Kontroverse über Spann, dem man Hegels Pantheismus
vorwarf. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wandte ich mich an Kanzler Seipel
und so kam es zu persönlichen Aussprachen zwischen Spann und Seipel, die
beiderseits sehr fruchtbar waren. Ich freue mich heute noch, den Dialog dieser
beiden großen Österreicher in etwa vermittelt zu haben. Leider hat durch die
weitere politische Entwicklung diese segensreiche Konzeption sich nicht aus-
wirken können.
Eines möchte ich in diesem Zusammenhange nicht unerwähnt lassen: Spanns
liebes Verhältnis zu seiner Familie. Ich war des öfteren bei ihm zum Abend-
essen eingeladen und es waren unvergeßliche Stunden, die wir dort in wissen-
schaftlichen Gesprächen, aber auch in persönlichen, oft in ganz persönlichen
Angelegenheiten, geführt haben. Spann war ja ein Mann, dem sein Lehrauftrag
nicht nur ein Amt, sondern Dienst am Menschen gewesen ist. Er hat ja seine
Schüler oft über das Wochenende hinausgeschickt, seine Gedanken über den
berufständischen Aufbau von Gesellschaft und Wirtschaft ins Volk zu tragen.
Er war nicht nur Lehrmeister, sondern auch Lebemeister! Novalis Wort war
ihm Weisung:
,In mir ersteht ein großes Bild von dem, was werden soll. Bevor das nicht
geworden ist, wird nicht der Friede voll!'
An einem solchen Abend hatte Frau Spann-Rheinsch eine Karte für die
Oper. Ehe sie wegging, kam sie herein sich zu verabschieden. Spann wünschte
ihr einen schönen Abend und küßte ihr die Hand. Mir hat das sehr imponiert.
Ich war stolz darauf, auch den Menschen und Gatten und Familienvater Spann
hier kennenlernen zu dürfen in meinem verehrten Lehrer, der oft in der Vor-
lesung wie ein Prophet am Katheder stand, als Lehrer und Lebemeister einer
neuen, schöneren Zeit!“.