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hat sich durch seine revolutionäre Stellung in der praktischen Politik

von Anbeginn an mit individualistischen Grundsätzen — z. B. dem

Rechte auf den vollen Arbeitsertrag, das eigentlich eine rein individuelle

Zurechnung verlangt — vermischt. Er konnte daher den inneren

Umschwung in den Lehrbegriffen und im Verfahren der Wissenschaft

nicht selber vollziehen.)

Und was ist nun die R o m a n t i k ? Hier beginnt die eigentlich

entscheidende, die Kernfrage unserer Untersuchung. Wir müssen da

weiter ausgreifen, als einer streng volkswirtschaftlichen Zergliederung

angemessen erscheint; dennoch darf es, was äußerlich gesehen als eine

Abschweifung erscheinen könnte, nicht unterlassen werden, weil es

zum richtigen Verständnis unentbehrlich ist.

Die Romantiker waren keine Schwärmer und Phantasten (als die

man sie heute oft genug bezeichnet). Die Romantik war auch keine

bloße Kunstschule, wie sie von den Gebrüdern Schlegel, von Tieck,

Novalis, Brentano, Eichendorff und vielen anderen gebildet wurde,

sondern sie war eine Weltanschauung. Aber keine papierene, sondern

eine solche, die notwendig zur Lebensanschauung und darum zur

Kulturbewegung wurde, welche den ganzen Menschen, die ganze

Gesinnung ergriff und damit eine Einheit aller Seiten des Lebens wie der

Gesellschaft verlangte.

Die Romantik beruht zuletzt auf einer einzigen Empfindung, einer

metaphysischen Grundeinstellung und Grundempfindung des

menschlichen Wesens. Sie beruht auf dem einzigen Gefühl der

Rätselhaftigkeit des Daseins oder, mit einem philosophischen

Kunstausdruck gesagt, auf dem Transzendenzproblem, und zwar nach

der subjektiven Seite hin. In ihrer Eigenschaft als Kunst gelingt es der

Romantik gewiß auch — wie jeder echten Kunst —, Zweifel und Leid

aufzulösen in Schönheit und Poesie, das Endliche einzubilden in die

Unendlichkeit und jene Frage ersterben zu machen, überwältigt von der

Heiligkeit der Welt. Aber das wahre Kennzeichen des Romantischen ist,

daß jenes tief eingewurzelte Warum?, Wozu? doch niemals gänzlich

versiegt und erstirbt, sondern am Grund und Boden der Empfindung

zurückbleibt. Darum nennt Hegel in der Phänomenologie den

romantischen Zustand mit Recht das „unglückliche Bewußtsein“

1

. Ja,

das metaphysisch unglückliche, das tief aufge-

1

Hegel hat an jener Stelle der „Phänomenologie des Geistes“ zweifellos die

Romantiker im Auge.