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Wer die Romantik so begreift, dem erklären sich alle ihre einzelnen
hervorstechenden Eigenschaften, die man öfter vergeblich abgetrennt
als ihre Merkzeichen aufzustellen suchte: der Zug zum /
Abenteuerlichen, Wunderbaren und Phantastischen; ebenso die
Auflösung der Natur in ein Lebloses und Blindes, Grausiges, und dann
wieder ihre pantheistische Zusammenfassung und Ergreifung als
beseligtes Ganzes; ein drittes ist die Subjektivität, der Hang zur
Reflexion und zum Philosophieren, was wieder ein gestaltloses,
formloses Element in der romantischen Dichtung notwendigerweise
bedingt; Subjektivität, metaphysische Sehnsucht und Skepsis zusammen
bedingen dann wieder die „romantische Ironie“, die höhnische
Selbstbezweiflung — alle diese Stücke fließen mit gleicher
Notwendigkeit aus der einen Quelle, aus der metaphysischen Richtung,
aus dem philosophischen Grundgefühl und der Grunderkenntnis des
romantischen Bewußtseins.
Es war nötig, die letzte philosophische Wurzel romantischen
Denkens bloßzulegen. Denn daß die Romantik durch und durch
philosophischer Natur ist, bestimmt nicht nur ihre Gestalt und Eigenart
als einer Kunstrichtung, sondern ist auch die Wurzel der
staatsphilosophischen,
gesellschaftswissenschaftlichen
und
volkswirtschaftlichen Stellung und Betätigung der Romantiker.
E c h t e P h i l o s o p h i e w i l l g e l e b t w e r d e n ; sie kann in
der Kunst allein kein Genüge finden. Die Kunst ist der Romantik nicht
etwas für sich, ganz im Gegensatz zu dem hohlen „l’art pour l’art“ von
heute; ihrem Banner geziemt mehr das wunderbare Wort, von dem
Platon als einem Gebet der Spartaner berichtet: τά καλά έπί τοϊς άγαθϊς
„das Schöne n a c h dem Guten“, genauer: das Schöne soll auf dem
Grunde des Guten ruhen
1
. So ist auch für die Romantik „Kunst“ nichts
anderes wie echte Philosophie, wie echte Wissenschaft — wie jeder
echte geistige Inhalt (weil er nicht abgetrennt von anderen da sein
kann) ein B e s t a n d t e i l d e s L e b e n s , e i n A u s d r u c k
d e s E t h i s c h e n ! — u n d d a m i t s i n d w i r m i t t e n
d r i n n e n i m R e i c h e d e r S t a a t s W i s s e n s c h a f t ,
d e r S o z i a l w i s s e n s c h a f t ! Staat, Wirtschaft und Gesellschaft
waren den Romantikern Lebensinhalte, das ist Inhalte eines
einheitlichen, von einer und derselben Geistigkeit durchdrungenen
Lebens; und als solche
1
Platon: Alkibiades der Zweite, 148c; dazu Otto Willmann: Logik, 3. Aufl.,
Freiburg 1912, § 22, 4.