Table of Contents Table of Contents
Previous Page  1307 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 1307 / 9133 Next Page
Page Background

[364/365]

411

nur Seiten des e i n e n Lebens. Daher sehen wir die Dichter Novalis,

Schlegel, Tieck, Eichendorff und alle anderen von einem oft

brennenden Interesse für politische Wissenschaft erfüllt; das macht: die

politischen Wissenschaften werden ihnen Lebenswissenschaft, und das

war ihnen ja auch die Kunst! Das Leben war ja das romantische Thema,

war das metaphysische Thema!

/

Welche

die

Grundstellung

der

Romantik

in

allen

Gesellschaftswissenschaften sein mußte, das war von Anbeginn durch

den Zusammenhang, den alle Seiten des Lebens untereinander hatten

und den das Leben mit der Welt hatte, war durch den Zug zur

universellen Einheit, der im Wesen der Romantik lag, festgelegt. Wie

die Romantik in der Poesie notwendig g e s c h i c h t l i c h war (was

auf die Einheit mit dem Vergangenen geht) und wie sie notwendig

v ö l k i s c h war (was auf die Einheit des ganzen Volksgeistes, des

Volksganzen geht), so war sie in der Staatswissenschaft notwendig-

universalistisch.

Es ist natürlich, daß nicht die Dichter selbst Staatswissenschaft

betrieben. Adam M ü l l e r war es, der zum eigentlichen Schöpfer und

Begründer der romantischen Volkswirtschaftslehre wurde. Auch er ist

Philosoph und Staatsgelehrter zugleich, indem er überall ausgeht von

der wahrhaft romantischen Grundempfindung, von der Frage nach dem

Verhältnisse des Menschlichen zum Unsichtbaren. „Über den Gedanken

des Todes zu siegen, scheint die Bedingung alles Großen und Schönen

auf der Erde, alles wahren Privatlebens, aller Staaten und

Staatenbünde...“

1

Dies bestimmt ihm den Grundzug des Lebens und der

Gesellschaft.

Wie

sah

nun

A d a m

M ü l l e r s

V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e a u s ?

Adam Müllers Werk ist nicht nur aufbauend, es ist auch wesentlich

kritisch; das bringt schon die geschichtliche Stellung mit sich. Seine

Fehde gegen Adam Smith (Ricardo scheint Müller niemals richtig

kennengelernt zu haben) zerstörte mit wuchtigen Schlägen die

individualistischen Grundlagen des Systems. Seine Einwände sind später

fast durchaus in das Rüstzeug der geschichtlichen Schule übergegangen

und haben so den Weg auch in unsere heutige Bildung (wenngleich

verwässert) gefunden. — Sein Ausgangspunkt war die

S t a a t s l e h r e . Zuerst war es der naturrechtliche Begriff, gegen

1

Adam Müller: Die Elemente der Staatskunst, Berlin 1809, Teil 3, S. 276.