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III.

Äußerliche und innere Selbstgenugsamkeit des Einzelnen

sind zu trennen

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Man hat dem Gedanken des Sichselbstgenügens (Selbstwüchsig- keit,

Autarkie) oft genug entgegengehalten: der einzelne Mensch sei sich gar

nicht selbstgenug; als Säugling könne er nicht ohne Hilfe der Mutter

leben, weil er ernährt, unterrichtet, angeleitet werden müsse; und auch

der Erwachsene könne allein auf die Dauer ohne die Mithilfe anderer

Menschen in der Regel sein Leben nicht fristen. Die Gesellschaft, so sagt

dieser Einwand weiter, ist ja gerade als ein System gegenseitiger

technisch-wirtschaftlicher Hilfeleistungen anzusehen. Die Menschen

treiben ihre Wirtschaft durch Arbeitsteilung, überall herrscht

gegenseitiges Sichunterstützen und -helfen. — Aber dieser Einwand ist

minder wichtig. Ja, er gibt dem Individualisten im Grunde recht. Er geht

nur auf das Äußerliche, das Nothafte (Utilitarische), nur auf das, was der

Mensch als sinnliches, körperlich-organisches Wesen braucht, also auf

Nahrung, Kleidung, Wirtschaft, Technik, nicht aber auf die geistige

Wesenheit, nicht auf die geistige Autarkie — auf diese allein aber kommt

es indessen an! Der Individualist darf sich mit Recht auf die rein geistige

Selbstgenugsamkeit als seine eigentliche Hochburg zurückziehen; denn

wenn der Mensch geistig in sich beruht und nur äußerlich (im Bereiche

des Nützlichen, Technischen) die Hilfe des andern braucht, so ist in dem,

was das Wesenhafte und Erste (Primäre) des Lebens ist, im Geistigen, die

Gesellschaft vollkommen auf den Einzelnen zurückgeführt und somit

individualistisch erklärt.

Nach dieser Abweisung mehrerer Irrtümer wollen wir nun den Begriff

des geistig sich selbst genugsamen Einzelnen darstellen.

IV.

Die Selbstwüchsigkeit des Einzelnen in verschiedenen

Lebensverhältnissen dargestellt

Dem modernen Menschen ist die individualistische Grundvorstellung

vom Wesen des Einzelnen so selbstverständlich, daß es uns schwer wird,

diesen Begriff noch erst klarzumachen. Hier gilt es aber, ihn nach allen

Richtungen zu Ende zu denken. Die erste Schwierigkeit bildet