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lichen Zusammenlebens, die sich auf Mächte der menschlichen Seele

gründen, welche anderen, früher gebannten, jetzt frei gewordenen

Schichten der Gesellschaft angehören. Wenn das Fürstentum weicht

und die unbeschränkte Demokratie ihren Einzug hält, dann wird sich

unser Zusammenleben unendlich viel mehr auf dem Fuße der Gleich-

heit, statt auf dem der früheren Autoritäten und ihrer festen Ord-

nungen abspielen; und durch die erhöhte Geltung der / Empfindun-

gen, Ansichten und Geschmacksrichtungen der großen Menge wird

eine geistige Macht in Wirksamkeit gesetzt, die früher gebunden

war, die früher mehr als Stoff denn als Form, mehr hinnehmend

denn führend lebte.

Wer dies überlegt, der begreift, was eingangs behauptet wurde:

wie allein in Veränderungen, die aus den tiefsten Tiefen des Lebens

stammen, der gesellschaftliche Organismus seine geheimen Kammern

öffnet, und warum alle großen Erkenntnisse der Gesellschaftswissen-

schaften solchen Zeiten entstammen. Aristoteles und Platon, als sie

die Lehre vom Staate auf den höchsten Gipfel führten, hatten demo-

kratische und aristokratische, ja selbst bolschewikenartige Umstürze

erlebt

1

. Augustinus, Thomas von Aquino erlebten die Stürme ihrer

Jahrhunderte, Machiavelli sah die Umwälzungen der Renaissance,

David Ricardo, Adam Müller, Friedrich List sahen die französische

Revolution und die napoleonischen Kriege.

Auch wir sehen heute ein gewaltiges Stirb und Werde in Gesell-

schaft und Staat. Nun gilt es, die unsichtbaren Personen dieses Dra-

mas, die wahre Innerlichkeit dieser Vorgänge zu erkennen — die

innerste Innerlichkeit! Denn diese Erkenntnis muß am Beginne jeder

gesellschaftswissenschaftlichen Untersuchung stehen (und sie ist schon

durch die obigen Betrachtungen begründet): daß es sich bei Revolu-

tionen und gesellschaftlichem Neubau niemals um bloße Formver-

änderungen, oder gar nur um Auswirkung von äußeren „Inter-

essen“, um blind-mechanische Vorgänge, handelt, wie die herr-

schende Ansicht will, sondern stets um innere Mächte, um die Gül-

tigkeit heilig gefühlter Werte; alles, was in Geschichte und Gesell-

1

Vgl. Robert Pöhlmann: Geschichte des Altertums, 2 Bde, 2. Aufl., München

1912 (z. B. in Bd 1, S. 184 ff. und Bd 2, S. 425 ff.). — Thukydides: Peloponnesi-

scher Krieg, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Johann David Heil-

mann, München 1912, III. Buch, 94, S. 281 ff. und VIII. Buch, 31, S. 274 ff.