Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2181 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2181 / 9133 Next Page
Page Background

[11/12]

19

zeltum. Der ganze Schwerpunkt des Individualismus liegt in dem

Begriff des Einzelnen, der ja hier die einzige Wirklichkeit in der Ge-

sellschaft ist; liegt in der Frage, wie der Einzelne zu denken sei. Das

wird freilich von Leuten, welche Fragestellungen nicht zu Ende den-

ken können, geleugnet; aber sie leugnen vergeblich, wie aus dem

Folgenden einleuchten wird.

Jeder folgerechte Individualismus muß schließlich bei der Behaup-

tung landen, der Einzelne, als geistiges Wesen gesehen, sei geistig sich

selbst genügend, autark. Der geistig frei sich erzeugende, geistig sich

selbst erschaffende Einzelne ist notwendig der letzte Grundgedanke

jedes Individualismus. Keine individualistische Lehre kann diesem

Gedanken entrinnen, jeder liegt er, sei es heimlich oder offen, zu-

grunde. Wir nennen diesen geistig sich selbst genügenden, auf sich

selbst gestellten (autarken) Einzelnen das a b s o l u t e I n d i v i -

d u u m . Bevor wir von hier weitergehen, müssen wir jedoch ein

Wort einschalten über das Verhältnis dieser geistigen Selbstgenug-

samkeit (nicht „Genügsamkeit“, denn sich selbst genug sein will

hier nicht in dem Sinne von genügsam sein verstanden werden) zum

Begriff der „Autonomie“. Jeder kennt die sittliche Autonomie im

Kantischen Sinne. („Du kannst, denn du sollst.“) Diese Autonomie,

diese Selbstbestimmung oder Willensfreiheit des Geistes ist aber

nicht einerlei mit Sichselbstgenugsein, mit Autarkie. Autonomie be-

zeichnet, genau genommen, nur die ichhafte Form des Geistes und

der geistigen Freiheit überhaupt. Sie sagt: Ich selbst gebe mir das

sittliche Gesetz; nur ich kann denken, kein anderer kann für mich denken.

Jede Denksetzung hat daher notwendig die ichhafte, das

heißt selbstgesetzte Form; anders kann ein Gedanke nicht in die

Welt gesetzt werden. A b e r d i e A u t a r k i e s a g t m e h r :

Nicht nur die Form der „Autonomie“, sondern auch die Substanz,

der Gehalt des Geistigen ist mein. Hierfür diene der Erfinder als

Beispiel; bei ihm scheint es klar, daß seine Gedanken nicht nur for-

mell, sondern auch inhaltlich von ihm selbst gedacht, aus ihm selbst

herausgeholt sind.

Nun entgegnet man dem Gedanken der Selbstgenugsamkeit etwa:

Der Mensch sei sich selbst nicht genug, z. B. weil er als Säugling nicht

ohne Hilfe/der Mutter leben könne; weil er ernährt, unterrichtet,

angeleitet werden müsse. Und weiter: Unter den Erwachsenen sei

die Gesellschaft geradezu als ein Inbegriff gegenseitiger Hilfeleistun-