Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2184 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2184 / 9133 Next Page
Page Background

22

[13/14]

durchgeführt ist (darum der ungeheure Erfolg des Robinsonbuches

in jener Zeit). Robinson ist nicht nur geistig, sondern auch äußerlich

auf sich angewiesen; er braucht die Hilfeleistung der Gesellschaft

nicht. Er kann allein leben (wenn er auch in Gesellschaft besser le-

ben würde). Der Mensch wird damit auch in dem Bereiche des äuße-

ren Bedürfnisses als grundsätzlich unabhängig von den anderen

Einzelnen gedacht. — Im Grunde ist aber diese Begriffsdichtung

nicht entscheidend, wie ich schon sagte. Denn alle Einwände gegen

den Individualismus, die sich nur auf die äußere Hilfeleistung be-

ziehen, treffen ohnehin nicht das Wesentliche.

c.

Könnte auch noch die Gestalt des Einsiedlers angeführt wer-

den? Der fromme Einsiedler wird vor allem geistig als Alleinleben-

der gedacht; seine Unabhängigkeit von den äußeren Hilfeleistungen

der anderen Menschen tritt dagegen ganz in den Hintergrund.

(Denn ob einem Einsiedler Bauern und Jäger Lebensmittel bringen

oder nicht, ist für seine Einsiedlernatur nicht entscheidend.) We-

sentlich ist, daß er geistig für sich sei, dem geistigen Umgang mit

anderen Menschen entsage, um nur seiner Andacht zu leben. Aber

ist der Einsiedler wirklich ein in seiner eigenen Geistigkeit leben-

der, aus sich allein schöpfender Einzelner? Wenn man genauer zu-

sieht, findet man das Gegenteil. Er ist nicht allein, sondern lebt,

um mit Goethe zu sprechen, mit „Gott- / Natur“, die im Geiste

seiner Religion zu ihm spricht. Den Einsiedler kann man daher als

absoluten Einzelnen und als eine rein individualistische Gestalt

nicht anerkennen. Er ist nur eine schein-individualistische Gestalt,

weil bei ihm das Verhältnis zu Gott und zu der vergöttlichten Na-

tur an die Stelle des Verhältnisses zum Menschen tritt. Ein solches

Verhältnis kann aber ferner auch nur dort stattfinden, wo ein schon

ausgebildeter und tiefer Geist intuitive Kraft genug hat, aus der

Natur, aus dem Schicksal heraus die Stimme der Gottheit zu ver-

nehmen.

Alle anderen bisher angeführten Beispiele dagegen haben etwas

Bestechendes, ja Überwältigendes. Sie zeigen uns Gestalten, die wohl

geeignet sind, Staunen zu erwecken und den individualistischen Ge-

danken zu bezeugen.

Überblicken wir alles Angeführte, so sehen wir, daß es überall

das Selbstschöpferische des menschlichen Geistes ist, auf das der In-

dividualismus zurückgeht. Dieses Bestimmungsstück ist allein das