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Gegenüber den behandelten Lehrstücken sind die übrigen Teile
der marxistischen Wirtschaftslehre von nebensächlicher Bedeutung.
Es würde überdies zu weit führen, Marxens Lohntheorie, Verelen-
dungs-, Krisen- und Geldtheorie zu behandeln. Die Lohntheorie
Marxens, die nichts anderes als Ricardos sogenanntes ehernes Lohn-
gesetz abwandelt, ist falsch und, an den Lehren Thünens, wie selbst
der Grenznutzenschule gemessen — welche das Produkt, nicht die
Kosten zugrunde legen —, ganz rückständig. Die Verelendungs-
theorie wird auch von strengen Marxisten preisgegeben, die Geld-
lehre kann wohl überhaupt nicht ernst genommen werden
1
. Das
Studium dieser Lehren zeigt am deutlichsten, in wie geringem Maße
Marx wirklicher Kenner der W i s s e n s c h a f t der Volkswirt-
schaftslehre, wie sehr er auch in wissenschaftlichem Gewande zuletzt
nur politischer Agitator war. Ein politischer Wille hat sein ganzes
Denken geleitet. Seine volkswirtschaftlichen Lehrbegriffe sind nicht
zu Ende gedacht, sondern dienen politischen Zwecken.
II. Der geschichtliche Materialismus
Bei der Beurteilung der Geschichtslehre Marxens begegnen wir
derselben Erscheinung wie bei der Wirtschaftslehre: Es gibt fast nie-
manden, der auch nur einen ihrer Sätze (die übrigens mangels einer
systematischen Behandlung / des Gegenstandes durch Marx nur
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1
Zusatz zur dritten Auflage. G e l d ist in Wahrheit kein neutraler Wert-
messer und keine Ware, wie die Formel W — G — W annimmt (siehe oben S. 140),
sondern: K a p i t a l h ö h e r e r O r d n u n g . — D i e K r i s e hat nicht in
„Unterverbrauch“ und zu vielem konstanten Kapital ihre grundsätzliche Wurzel,
sondern als S t ö r u n g d e r E n t s p r e c h u n g e n im Gliederbau der wirt-
schaftlichen Mittel gar mannigfache Gründe. Diese Störungen sind weder z y k -
l i s c h (wie Marx will) noch durch Ü b e r k a p i t a l i s a t i o n bedingt — was
z. B. die nichtzyklischen und durch Kapitalarmut mitbedingten Landwirtschafts-
krisen beweisen (siehe oben S. 142 f.).
Lohn ist als S c h ö p f u n g s l o h n u n d a l s A u s f ü h r u n g s l o h n ver-
schieden zu beurteilen. Er muß auf dem Grunde einer völlig anderen Fruchtbar-
keits-, Ertrags- und Wertlehre begriffen werden. — Vgl. zu diesen Lehren oben
S. 133 f-, 153 ff. und 160; ferner mein Werk: Tote und lebendige Wissenschaft,
4. Aufl., Jena 1935, S. 282 ff., 127 f. und 327 f., jetzt: 5. Aufl., Graz 1967,
5. 256 f., 122 f. und 294 f. (= Othmar Spann Gesamtausgabe, Bd 6). — Weiters
mein Buch: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre, 24. Aufl., Jena 1936,
S. 192 f. und 199 ff., jetzt: 28. Aufl., Graz 1969, S. 171 ff. und 177 ff. — Walter
Ffeinrich: Grundlagen einer universalistischen Krisenlehre, Jena 1928.