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er nichts mehr von Hegel übrig gelassen als den Mißbrauch eines
Verfahrens, das nun kein „dialektisches“ mehr war, weil „Dialektik“
ja einen l o g i s c h e n Widerspruch zur Grundlage hat, weil die logi-
schen Gründe für jene Bewegung in Gegensätzen nun vollständig
fehlten. Was Marx übrig ließ, war ein wunderliches Wunder blinder
Ursachenverknüpfung — in der doch Sinn, Richtung, Gegensatz
sein sollte. Als Wesen geistiger Fortschreitung den Einwand, den
Widerspruch zu betrachten (wie Hegel tat), war eine tiefsinnige An-
nahme; als Wesen des mechanischen Fortgangs dasselbe zu tun, war
sinnlos. Kann man in der theoretischen Mechanik, kann man in der
Chemie, kann man in der Maschinenwissenschaft die „dialektische
Methode“ anwenden? Wollte man eine Maschine nach dem Gesetz
bauen, einem Hebel müsse ein Non-Hebel, diesem eine Synthesis
der beiden folgen — könnte man da jemals eine Maschine zusam-
menbringen, die geht? Eben auf diese Weise aber denkt Marx, wenn
er den „Mechanismus“ der Volkswirtschaft in dialektischen Wider-
sprüchen sich aufbauen und bewegen läßt.
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Daß Marx eine Parodie aus Hegels dialektischem Verfahren
machen konnte, war seine Sache. Daß aber ein ganzes Jahrhundert
lang Anhänger und Gegner ihm diesen Hegelianismus nachrühmten,
wirft ein grelles Licht auf die seichte, irregerichtete philosophische
Bildung der damaligen und heutigen Geschlechter.
Überblickt man die Geschichtsheorie Marxens, so tritt als beherr-
schender Grundzug Eines hervor: Die V e r w i r t s c h a f t l i -
c h u n g d e s L e b e n s . Alles dreht sich nur um die Achse der
Wirtschaft: Leben, Gesellschaft und Geschichte. Diese Auffassung ist
die allgemeinste und zugleich die unglücklichste, die beklagenswer-
teste Wirkung des Marxismus; sie ist das eigentliche Kulturgift, das
der Marxismus dem modernen Zeitgeist eingeträufelt hat, an dem
unsere ganze Politik, unser Recht, unser Staat, unsere Gesellschafts-
wissenschaft, ja selbst unsere Sittlichkeit und ganze Lebensauffassung
krankt, und von dem die deutsche Volksseele am allermeisten in
Mitleidenschaft gezogen wurde. Verwirtschafllichung des Lebens,
Materialisierung der Idee! Wenn wir heute bis zum Überdruß auch
in jeder „bürgerlichen“ Zeitung und in jeder Parlaments- und Re-
gierungskundgebung von der grundlegenden Bedeutung der „wirt-