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sucht nach der primitiven Urform des Menschlichen, das natürliche Gefühl der

Einfachheit, Klarheit, Größe, für Licht, Schönheit, Glanz, für Freiheit und Har-

monie der Form, für festliche Pracht, Schmuck und Freude des Lebens. Sie sind

ihrem innersten Wesen nach i d e a l i s t i s c h e Mächte. Und sie haben ihren

Ursprung auf der Höhe der Bildung. Sie erwachsen aus dem Erbe alter Kultur-

tradition. Es sind a r i s t o k r a t i s c h e Triebe, die sich darin entfalten. Und

darum mußte sich später die reformatorische Strömung, der dieser aristokratische

Charakter durchaus fremd war, von Humanismus und der Renaissance schroff

scheiden. Idealistisch und aristokratisch sind Humanismus und Renaissance. Es ist

d e s h a l b s c h l e c h t e r d i n g s u n m ö g l i c h , i h r e n U r s p r u n g a u s

w i r t s c h a f t l i c h e n u n d p o l i t i s c h e n F o r t s c h r i t t e n h e r z u -

l e i t e n . “

Solche Hinweise ließen sich in der germanischen, griechischen,

orientalischen Geschichte noch zahlreich erbringen. Marx und Engels

haben aber sowohl von Wirtschaftsgeschichte, wie von politischer

und Geistesgeschichte zu wenig gewußt, um ihre materialistische Auf-

fassung auch nur in den gröbsten Zügen am Gange der Welt-

geschichte belegen zu können. Es mangelte auch hier einfach an dem

Unentbehrlichen, das durch Scharfsinn und journalistisches Geschick

nicht ersetzt werden kann, an den Kenntnissen.

Mangelhaft ist übrigens bei Marx der Begriff der Klasse selbst. Die

Klasse wird nämlich rein individualistisch erklärt, und zwar erstens

als eine Summe Einzelner und zweitens als eine rein wirtschaftliche

Summe. Es soll in der kapitalistischen Gesellschaft im Grunde nur

eine Proletarierklasse und eine Kapitalistenklasse („Bourgeoisie“) ge-

ben. Da nach Marx die Geistigkeit dieser Klassen sich aus ihrer wirt-

schaftlichen Achtung ergibt, müßte geistige und wirtschaftliche Klas-

senbildung zusammenfallen. — Hier ist wieder alles fehlerhaft. Vor

allem ist schon die atomistische Auffassung der Klasse falsch.

„ K l a s s e “ k a n n n u r a l s o r g a n i s c h e s G l i e d d e r G e -

s e l l s c h a f t g e f a ß t w e r d e n , d a s h e i ß t a l s S t a n d ,

nicht aber als Gruppe, die durch Summierung entsteht

1

. / — Von

all’ dem abgesehen, ist aber auch die rein wirtschaftliche „Klassen-

bildung“ durchaus keine einheitliche. Schon bei den großgewerb-

lichen Arbeitern sind mehrere Schichtungen auseinander zu halten:

die ungelernten, die gelernten, die hochqualifizierten Arbeiter,

welche wieder als Rohstoff erzeugende und als verarbeitende in

schroffe Gegensätze kommen können, wie die jüngsten Streikerfah-

rungen deutlich genug zeigten. Außer den großgewerblichen Arbei-

Uber den Begriff des Standes siehe unten §§ 27 ff.