Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2340 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2340 / 9133 Next Page
Page Background

178

[128]

kommen, gleichwie kein Organismus vollkommen gesund, jeder

auch von Krankheit befallen ist, aber dann geschieht dies trotz, nicht

wegen der Natur des Organismus, des Staates. Das W e s e n keines

Staates ist auf Unterdrückung gestellt, viel mehr auf Organisation

des

Ganzheitlichen,

Organischen.

Was

s c h ö p f e r i s c h e ,

f r u c h t b r i n g e n d e O r d n u n g heißt, was eine sittliche

„Totalität des Lebens“ in sich schließt, das ist der Staat, nicht aber

Unterdrückung.

Sodann folgt aus dem wesenhaftesten Merkmale des Staates, daß

er „Organisation“ des Lebens ist, alles das, was im Begriffe „Organi-

sation“ beschlossen liegt. Organisation nun enthält ihrem Begriffe

nach eine Herrschergewalt, weil Über- und Unterordnung ihr Bau-

gesetz bildet. Daher müßte auch dann, wenn alle „Klassen“ beseitigt

wären, eine Herrschergewalt sein. Augenfällig zeigt sich dies, wenn

wir uns auf den Standpunkt des „Naturrechtes“ stellen und den Ur-

staat logisch konstruieren, in welchem noch keine Klassen waren. Das

Wesen des „Urvertrages“ war ja: eine Herrschergewalt einzusetzen,

eben um die Gesamtorganisation „Staat“ zu begründen und aufrecht

zu erhalten. Ein Staat ohne Herrschergewalt ist begrifflich undenk-

bar. Mir fehlt daher völlig das Verständnis dafür, wie Marx erklären

konnte, bei Beseitigung der Klassenunterschiede fiele damit der

„Staat“ weg, weil es dann niemanden mehr zu unterdrücken und zu

knechten gäbe. Die berühmte Lehre vom „Absterben des Staates“ in

der späteren kommunistischen „Gesellschaft“ ist wieder eine jener,

in denen sich Marx als Wissenschafter verleugnet und sich als reiner

Politiker und Demagoge gibt.

Nach Marx soll das, was nach Aufhebung der Klassenunterschiede

folgt, eine „freie Assoziation“, das heißt eine Gesellschaft ohne

Zwangsorganisation und somit ohne Staat sein. Da aber doch wohl

auch diese „Gesellschaft“ in Rechtspflege, Kulturpflege und Verwal-

tung tausendfachen Zwang notwendig ausüben muß, so wäre sie

ohne diesen Zwang eine anarchische Utopie, das heißt vollkommene

freiwillige Genossenschaftlichkeit oder — das Chaos. Gerade der

Kollektivierung der Erzeugung und der Gesamtwirtschaft überhaupt

muß doch notwendig ein Zwang entsprechen! Eine zentralistische

Planwirtschaft ohne Zwangsorganisation ist ein Widerspruch in sich.

Freilich gibt es Leute, die auch diesen Widerspruch auszudenken

vermögen. Lenin sagt in seinem Buche „Staat und Revolution“, daß