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schaftlichen Faktoren“, von Wirtschaft und immer nur von Wirt-

schaft hören, so stammt diese Einstellung aus der trüben Quelle des

Marxismus. Allerdings darf man dem Marxismus nicht die ganze

Schuld in die Schuhe schieben. Es liegt tief im Wesen der Aufklärung,

des Individualismus überhaupt, beschlossen, das Ideelle zu materiali-

sieren. Der Marxismus hat diesen Zeitgedanken aber in höchster

Vollendung zum Ausdrucke gebracht.

Im geschichtlichen Materialismus Marxens liegt indessen bei allen Mängeln

auch ein positiver Gehalt beschlossen, der hier nicht verschwiegen werden soll.

Der geschichtliche Materialismus kann als Schulbeispiel dafür dienen, daß ein

Aufbau der menschlichen Gesellschaft und „Ablauf“ ihrer Geschichte in einheit-

lichem empirisch-kausalen Zusammenhange gedacht werden könnte. „Unterbau“

und „Überbau“, das sind bei aller Plattheit doch, wenn sie rein methodisch ge-

nommen werden, zwei Leitbegriffe, die eine gewisse erste Klärung der Anatomie

der menschlichen Gesellschaft anbahnen können. Ferner: Indem der Unterbau

die primäre und sich selbst bewegende Kräftegruppe darstellt, wird aus dem

Baugesetz auch ein leicht lehrbares Beispiel für ein Bewegungs-, ein Entwick-

lungs"gesetz“.

Der Wert von Marxens Geschichtslehre als eines methodologischen Schulbei-

spiels ist in der Tat nicht zu bestreiten. Jedoch ist auch dann noch die Lehre

lückenhaft — so sehr, daß heute der G e g e n s a t z z w i s c h e n „ K a t a -

s t r o p h e n t h e o r i e “

u n d

„ E v o l u t i o n s t h e o r i e “

ein

Kriegsfall

unter den Marxisten wurde. Denn dieser Gegensatz vor allem ist es ja, der ihre

Scheidung

in

„Mehrheitssozialisten“

und

„Unabhängige“,

beziehungsweise

„Kommunisten", bewirkte. Die Frage, ob man den Fortgang der Geschichte als

selbsttätig, „evolutionistisch“ aufzufassen habe, so daß die entsprechenden Er-

eignisse ohnehin eintreten müssen, sobald die Zeit dafür reif sei, der „Unterbau“

den „Überbau“ entsprechend verändert habe; oder ob durch gewaltsames Zu-

greifen (Revolution, Katastrophe) die entscheidenden Veränderungen in der Ge-

schichte hervorgebracht werden müssen — diese Frage beantwortet die Marxische

Lehre in ihrer konkret vorliegenden Gestalt nicht eindeutig, trotzdem sie aus

der methodologischen Natur der Theorie sich eindeutig als evolutionistisch zeigen

müßte.

III. Die Staatslehre

In der Staatslehre, deren Grundgedanken wir oben mitteilten,

zeigt Marx seine wahre Natur, sein eigenes Herz, offenbart er die

innersten Antriebe seines ganzen Strebens; Er ist n i c h t F o r -

s c h e r , s o n d e r n P o l i t i k e r , n i c h t U n i v e r s a l i

s

t ,

s o n d e r n A n a r c h i s t .

/

Fürs Erste. Es ist grundsätzlich verfehlt, das Wesen des Staates in

ausbeutender Herrschaft, in „Klassenherrschaft“ zu sehen. „Klassen-

herrschaft“ wird ja tatsächlich in jedem geschichtlichen Staate vor-

12 Spann, 5