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dieses Problem in der Zukunft durch „Gewöhnung" des Individuums

an seine Arbeitspflicht, die nach und nach den Zwang überflüssig

mache, gelöst würde!!

Hier stoßen wir wieder auf eine Grundvorstellung alles Kommu-

nismus, sei es Marxischer, sei er anderer Prägung: Der Glaube an die

unbegrenzte Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen, der Glaube,

daß alle Menschen, wenn sie nur die entsprechende Erziehung ge-

nießen würden, unbedingt gut, sittlich vollkommen wären, daher

z. B. auch freiwillig ihre Pflichten in der Planwirtschaft vollzögen.

Dieser Glaube ist schon allein vom Standpunkte / der Mendelschen

Vererbungslehre aus ein Köhlerglaube, was ist er aber für den Men-

schenkenner, für jenen, der auch nur ein Drama von Shakespeare

mit seiner bunten Fülle von Grundcharakteren begriffen hat? Hier

stoßen wir n e b e n d e r A n a r c h i e auf den zweiten Unter-

grund des Marxismus: die p s y c h o l o g i s c h e U t o p i e .

Wie sehr der geheimste und innerste Marx Utopist ist, wird über-

all dort klar, wo er sich über die kommunistische Gesellschaft näher

äußert. Bezeichnend ist hiefür die berühmte Stelle seines Briefes an

Bracke, den er in gereiftem Alter schrieb (1875), und wo es über die

Güterverteilung in der Zukunftsgesellschaft heißt:

„In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die

knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit [also:

Aufhebung der Arbeitsteilung in der kommunistischen Gesellschaft! — eigene

Anmerkung], damit auch der Gegensatz körperlicher und geistiger Arbeit ver-

schwunden ist, nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst

das erste Lebensbedürfnis geworden [!], nachdem mit der allseitigen Entwick-

lung der Individuen auch die P r o d u k t i o n s k r ä f t e g e w a c h s e n

u n d a l l e S p r i n g q u e l l e n d e s g e n o s s e n s c h a f t l i c h e n

R e i c h t u m s v o l l e r f l i e ß e n

1

, erst dann kann der enge bürgerliche

Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne

schreiben: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, Jedem nach seinen Bedürfnissen“

[das heißt man kann jetzt von dem Grundsatz „Recht auf den vollen Arbeits-

ertrag“ des Einzelnen übergehen zum Grundsatze der Gleichheit].

Überlegt man, was in dieser Stelle, die sich offen über das letzte

Ziel des Marxismus ausspricht, enthalten ist, so ergibt sich folgendes:

(1)

Die Arbeitsteilung wird im Zukunftsstaate aufgehoben.

(2)

Die Arbeit ist jedem Bedürfnis, sie ist keine Beschwerde mehr.

1

Von mir im Druck hervorgehoben.

12

*